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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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ihm zahlte – die Stadt, deren Aufgabe es gewesen wäre, ihn zu bestrafen.
    Anna schlenderte zurück zu dem Gebäude, in dem, wie sie wusste, zwei weitere Mordopfer des Night Prowlers lagen.
    Ihre anhaltende Wut machte es ihr schwer, klar zu denken. Sie sollte Mitleid mit den Opfern empfinden, aber alles, was sie fühlte, war Mitleid mit sich selbst. Immerhin wäre Quinn, wenn es den Night Prowler und seine Opfer nicht gäbe, immer noch in der Höhle, in die er sich zurückgezogen hatte, um einem Prozess und dem Gefängnis zu entgehen.
    Während Anna mit ihrer Wut und ihrer Scham lebte, hatten sich die Umstände zugunsten ihres Angreifers entwickelt. Ein Serienkiller streifte in der Stadt umher, und die Polizei dachte, Quinn wäre der beste Mann, um ihn zu schnappen. Die Stadt brauchte Quinn, also hieß die Stadt ihn willkommen – nachdem sie ihn weggeworfen hatte.
    Es ist nicht fair! , sagte sie sich immer wieder, während sie schneller und schneller ging. Ihre Wut war eine Antriebskraft, die sie nicht länger unter Kontrolle hatte.
    Es ist nicht fair!

43
    Vom Rücksitz des Taxis aus rief Quinn Harley Renz auf seinem Handy an und setzte ihn über die Einzelheiten der jüngsten Night-Prowler-Morde in Kenntnis.
    Mühelos wechselte er in das Sprachregister eines Cops, knapp, präzise und neutral.
    »Die Luft wird immer dünner«, sagte Renz, als Quinn geendet hatte. »Die Öffentlichkeit verlässt sich auf die Politik, die sich auf die Chefetage des Departments verlässt, die sich wiederum auf Leute wie mich verlässt. Scheiße rollt abwärts und wird schneller, Quinn, und genau da befinden sie sich, am Fuß des Hügels.«
    »Nun, dann hoffe ich, dass sie sich aufgelöst hat, bis sie bei mir ankommt. Gibt es noch irgendetwas, das ich wissen sollte?«
    »Nur dass Egan und seine Kumpel böse Dinge über Sie sagen. Hinter vorgehaltener Hand, versteht sich.«
    »Hinter vorgehaltener Hand zur Presse.«
    »Wie scharfsinnig Sie manchmal sind.«
    »Vielleicht bin ich scharfsinnig genug und finde etwas heraus, bevor es Egans Truppe tut.«
    »Sie spüren, dass sich das Gewicht verlagert, Quinn. Die unschuldige Anna wird zur Sympathieträgerin, der schrecklich Unrecht getan wurde, und Sie sind auf dem besten Weg, wieder zum Bösewicht zu werden.«
    »Ja, das spüre ich auch«, sagte Quinn. »Da müssen wir wohl durch. Wenn Sie können, lassen Sie mich die Ergebnisse der Obduktion wissen.«
    »In Ordnung. Apropos Egans Truppe, wer war am Tatort?«
    »Zwei Kerle namens Frist und Jefferson.«
    »Stehen beide in Egans Schuld. Jefferson ist in Ordnung, er steckt nur in der Klemme und versucht, seinen Arsch zu retten. Frist ist einfach nur ein Wichser.«
    »So habe ich die beiden eingeschätzt. Frist hat Angst vor Pearl.«
    »Wer hat das nicht?«
    »Gibt es was Neues vom Schalldämpfer?«, stichelte Quinn.
    »Sie machen sich lustig über den Schalldämpfer, aber wir kommen der Sache immer näher. Das ist die Art von Polizeiarbeit, in die Sie nie hineingewachsen sind, Quinn, weshalb auch Ihre Karriere den Bach hinuntergegangen ist.«
    Da liegt er vielleicht nicht ganz falsch, dachte Quinn
    »Wohin sind Sie unterwegs?«
    »Woher wissen Sie, dass ich unterwegs bin?«
    »Das habe ich aus dem Motorengeräusch und dem Straßenlärm gefolgert. Und das Geratter, wenn Sie durch ein Schlagloch fahren, legt nahe, dass Sie sich in einem New Yorker Taxi befinden.«
    »Gut gefolgert.«
    »Ich bin Polizist, wissen Sie.«
    »Wusste ich nicht. Ich bin auf dem Weg nach Hause, um mir noch einmal die Mordakten vorzunehmen. Ich will etwas überprüfen.«
    »Und das wäre?«
    »Finden Sie’s raus«, sagte Quinn und legte auf.
    Das Brummen hatte aufgehört.
    Der Night Prowler saß vor einem Restaurant auf der Amsterdam Avenue und aß Spiegeleier, während er den schönen Morgen genoss. Es war der Anfang eines weiteren warmen Tages, aber es wehte eine leichte Brise, die es angenehm machte, draußen zu sein, und die Abgase vertrieb.
    Drei Tische weiter saß eine Frau mit langem braunen Haar, nippte an ihrem Kaffee und studierte die Zeitungen, die sie aus einer Aktentasche neben ihrem Stuhl geholt hatte. Sie hatte auffallend blaue Augen und einen schlanken, feingliedrigen Körper. Es war schwierig, seinen Blick nicht immer wieder zu dem nylonbestrumpften Teil ihrer Beine zwischen ihren schwarzen High Heels und dem Saum ihres Rockes wandern zu lassen, und das wusste sie – da war er sich sicher.
    Du genießt es, wenn man dich beobachtet, studiert. Du magst

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