Opferschrei
kam. Fedderman würde es natürlich nicht bemerken. Noch würde ihm Nifts blütenweißes Hemd oder seine exquisite Seidenkrawatte auffallen. Fedderman kaufte seine Krawatten im Drugstore.
»Der Typ sieht aus wie ein Wall-Street-Arschloch«, flüsterte Pearl Quinn zu, während sie auf ihn zugingen.
Nift war gerade damit fertig, sich die Gummihandschuhe auszuziehen. Er blickte Quinn und Pearl an und lächelte. »Ah, noch mehr Detectives.«
»Bringen Sie uns auf den neusten Stand«, sagte Quinn.
»Warum, sind Sie veraltet?«
»Wie witzig«, sagte Pearl.
Nift warf ihr einen herablassenden Blick zu, als ob er sagen wollte, Aha, die Bauern sind immer noch aufständisch . »Werden Sie mich wegen Gehorsamsverweigerung melden, Sugar Ray?«
»Sie wird mich melden«, sagte Quinn, »nachdem ich Sie zum Fenster hinausgeworfen habe. Verschwenden Sie nicht unsere Zeit – machen Sie ihre Arbeit und sagen uns, was Sie haben.«
Nift ließ Quinn mit einem Grinsen wissen, dass er keine Angst vor ihm hatte. »Haben Sie nicht schon mal gedroht, mich aus dem Fenster zu werfen?«
»Ja, aber damals sind Sie zur Vernunft gekommen.«
Nift schien unbeeindruckt, wurde aber trotzdem kooperativ. »Zwei Tote in der Küche, eine Lisa Ide und ein Leon Holtzman. Verheiratet, sagen zumindest Ihre Kollegen. Leon weist drei Stichwunden auf, Lisa ungefähr zwanzig, viele der Wunden liegen im Brust- und Schambereich.«
»Bei beiden Leichen?«
Nift schien kurz zu überlegen, ob er das als Vorlage für einen seiner Witze nehmen sollte, entschied sich aber dagegen. »Nur bei Lisa. Leon wurde ins Herz getroffen, so wie sie auch. Aber Leon starb schnell, und meiner Einschätzung nach wurden ihr die anderen Wunden zuerst zugefügt.«
»Der Mörder hatte Spaß bei der Sache«, meinte Pearl.
»Wer hätte das nicht? Wie auch immer, das alles scheint heute Morgen passiert zu sein, irgendwann zwischen zwei und vier Uhr.« Nift strich abwesend seine braun-schwarze Krawatte glatt. Quinn bemerkte, dass er eine goldene Krawattennadel trug, um zu verhindern, dass die Krawatte herabbaumelte und Blutflecke abbekam. »Das ist alles, was ich Ihnen vor der Autopsie sicher sagen kann.«
»Irgendwelche Anzeichen, dass sie Widerstand geleistet haben?«, fragte Pearl.
»Um darüber zu spekulieren, müsste ich Detective spielen, Detective.«
»Nift, was halten Sie davon …«
»Es gibt nur ein paar wenige Wunden an den Händen und Armen der Opfer, die darauf hindeuten, dass sie sich gewehrt haben. Es ist wohl zu keinem Kampf gekommen, leider.«
»Wenn Sie einen Kampf wollen, kein Problem. Wir können …«
»Sieht es nach demselben Messer aus wie bei den anderen Ehepaaren?«, unterbrach Quinn sie. Manchmal war es wirklich schwierig, eine professionelle Atmosphäre zu bewahren, wenn Pearl dabei war.
»Das Messer des Night Prowlers? Ja, könnte sein. Aber wie gesagt, habe ich bisher nur Vorarbeit geleistet, mehr weiß ich also leider nicht.«
»Nift …«
»Gehen wir«, sagte Quinn. Er packte Pearl am Ellbogen und zog sie weg. Nach ein paar Schritten riss sie sich los. Quinn spürte, wie sich ihr Blick in seinen Hinterkopf bohrte.
Sie gingen in die Küche, um sich das Blutbad anzusehen.
Der Mann lag auf dem Boden, seine Augen vor Überraschung weit aufgerissen. Seine Frau lag etwa anderthalb Meter von ihm entfernt auf dem Rücken in einer Blutlache. Ihre Beine waren gespreizt und ihre nackten Brüste von einem Wahnsinnigen zerschnitten. Ihre linke Brustwarze fehlte. Pearl glaubte, sie auf dem Boden neben der Hüfte der Frau liegen zu sehen, aber es war schwer, es mit Sicherheit zu sagen, da sie mit einer dicken Schicht getrocknetem Blut überzogen war.
»Er wird brutaler«, sagte Pearl und spürte, wie ihr die Galle hochkam. Fang jetzt bloß nicht an zu kotzen. Nicht vor Quinn. Oder Nift. Du kannst jetzt nicht schwach werden …
»Sieh dir den Tisch an«, sagte Quinn.
Pearl blickte nach links und sah einen offenen Milchkarton.
Sie ging hin und betrachtete ihn genauer, ohne ihn zu berühren. »Noch drei Tage haltbar.« Sie berührte den Karton leicht mit der Innenseite ihres nackten Handgelenks. »Raumtemperatur.«
Zwei Detectives, die sich in einem der hinteren Räume, wahrscheinlich dem Schlafzimmer, aufgehalten hatten, kamen in die Küche. Einer war stark übergewichtig und hatte einen rasierten Schädel. Sein Partner war ein attraktiver Schwarzer um die vierzig, der aussah, als ginge er ins Fitnessstudio und ernährte sich ausschließlich von
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