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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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wieder auf die Klatschspalte. Er konnte nicht aufhören, die Meldung zu lesen.
    Obsession? Vielleicht. Aber auf jeden Fall gibt es eine richtige Zeit für die Obsession, wenn man sie unter Kontrolle hat. Wenn sie zielgerichtet ist. Also, genieß es, genieße …
    Wer behauptete, dass die Zeitungen nur schlechte Neuigkeiten druckten? Claire Briggs heiratete. Claire, mit dem geflochtenen Haar und der verführerischen Anmut.
    Claire Briggs!
    Glückwunsch an das glückliche Paar!

44
    Als Quinn vor seinem Wohnhaus aus dem Taxi stieg, sah er einen grauhaarigen Mann um die sechzig zusammengesunken auf den Betonstufen sitzen.
    So werde ich auch bald aussehen, wenn die Ermittlungen zu keinem Ergebnis führen.
    Die Haltung des Mannes legte nahe, dass er schon eine Weile dort gesessen hatte und darauf vorbereitet war, noch länger warten zu müssen. Er trug eine graue Hose und ein Hawaiihemd, das über den Hosenbund hing. Als er Quinn sah, kam Leben in ihn. Er nahm seine Sonnenbrille ab und stand schwerfällig auf, als ob sein Rücken schmerzte.
    Als Quinn näher kam, sah er, dass das Hemd ein buntes Muster aus Papageien und exotischen Blüten hatte. Der Mann war älter und größer, als er auf den ersten Blick gewirkt hatte, und etwas an seiner Haltung und in seinen Augen sagte, dass er ein Cop war.
    Er verzog seinen Mund zu einem leichten Lächeln und fragte neugierig: »Quinn?«
    »Quinn«, sagte Quinn und schüttelte die Hand, die ihm der Mann entgegenstreckte.
    Sein Griff war fest und trocken, aber er machte keinen Wettbewerb aus dem Händedruck. »Mein Name ist Nester Brothers. Ich bin hier wegen der Night-Prowler-Morde. Können wir irgendwo reden?«
    »Wir können nach oben in meine Wohnung gehen oder in eine Bar ein paar Blocks weiter.« Quinn warf einen Blick auf seine Uhr. »Ich weiß, es ist erst elf, aber …«
    »Bar«, sagte Nester.
    Zehn Minuten später saßen sie an einem Fenstertisch im Whichi Woman, einer kleinen Bar, die ungenießbare Sandwiches und alkoholische Getränke servierte und am Wochenende schlechte Musik spielte. Es war ein Abschleppschuppen für ganz normale Singles, aber ab und zu musste die Sitte auch Prostituierte vertreiben. Der farblose, übergewichtige Barkeeper hatte die Tür weit geöffnet, um frische Luft hereinzulassen, aber die Bar roch immer noch nach dem schalen Bier und den Enttäuschungen der letzten Nacht.
    Es gab nur einen anderen Gast im Whichi Woman, einen niedergeschlagen wirkenden Geschäftsmann, der sich am Ende der Theke über ein Getränk beugte, das nach Martini aussah. Quinn fragte sich, ob der arme Kerl gerade gefeuert worden war. Jeder Zentimeter seiner zusammengekauerten Gestalt sagte aus, dass die Welt böse war und es schlecht mit ihm meinte.
    Als Nester ein Bier vor sich stehen hatte und Quinn ein Mineralwasser mit Zitrone, sah Nester durch das trübe Fenster nach draußen auf die vorbeikriechenden Autos, die von den Fußgängern überholt wurden. »Scheiß viel Verkehr hier«, sagte er. »Aber sieht so aus, als würde es nirgends schnell gehen.«
    »Das stimmt«, sagte Quinn. »Sind Sie zum ersten Mal in New York?«
    »Ja.« Nester nahm einen so tiefen Schluck aus seinem beschlagenen Bierglas, dass ihm das Schlucken wehtun musste.
    »Geschäftlich oder privat?«
    »Geschäftlich. Wegen Ihnen. Ich bin hier, um mit Ihnen über den Night Prowler, dieses Arschloch, zu reden.« Er nahm einen weiteren tiefen Schluck von seinem Bier. Nester war ein strammer Trinker, wenn man bedachte, dass es noch nicht einmal Mittag war. »Ich war mal ein Cop.«
    »Das sieht man.«
    »Das denke ich mir. Ich war Sergeant im Saint Louis Police Department. Jetzt bin ich in Rente. Ich wurde nach einer Rückenverletzung vor ein paar Jahren vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Vor dem Job in Saint Louis war ich Hilfssheriff in einer kleinen Flussstadt in Missouri. Ein Ort namens Hiram. Jetzt, wo ich nicht mehr arbeite, sitze ich die meiste Zeit auf meinem Arsch, lese Zeitung, schaue Nachrichten und versuche, meiner Frau nicht in die Quere zu kommen. Außerdem verbringe ich viel Zeit im Internet. Sind Sie oft online, Quinn?«
    »Nicht mehr sehr oft.«
    »Fast alles, was je über die Morde des Night Prowlers gedruckt worden ist, findet man online. Während ich die Artikel gelesen habe, hat sich etwas in mir geregt, die Ahnung eines alten Cops, die im Bauch statt im Kopf geboren wird. Wissen Sie, was ich meine?«
    »Ja.« Quinn nippte an seinem Mineralwasser, um Nester nicht alleine trinken zu

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