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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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aufzubauen, dann hatte er schon zu Beginn seiner Therapie geplant, sie umzubringen.«
    »Warum sollte jemand so etwas tun?«, fragte Renz zutiefst verwundert. »Zu einer Therapeutin gehen in dem Wissen, dass er sie irgendwann um die Ecke bringt?«
    »Ich habe keine Ahnung«, entgegnete Quinn. »Aber ich brauche ja auch keine Therapeutin. Und wie Sie sagen, passt das hier nicht ins Muster.«
    »Trotzdem wäre es nett, wenn wir den Fall lösen könnten. Den Wölfen der Presse ein paar Brocken hinwerfen, um ein wenig Druck von Ihnen zu nehmen.«
    Und von dir. »Eine Sache noch. Es könnte auch jemand anderes gewesen sein, der den Namen gelöscht und die Akte mitgenommen hat. Jemand, der es besser versteht als David Blank, seine Spuren zu verwischen.«
    Renz schaute ihn ärgerlich an. »Ein Mörder, der hier Patient war, von dem wir nichts wissen und auch nie etwas erfahren werden?«
    »Es wäre möglich. Jemand, der von Hannahs Buch wusste oder nie darin gestanden hat. Jemand, der will, dass Sie nach David Blank suchen anstatt nach ihm.« Quinn deutete auf die Aktenschränke im Sprechzimmer, dann zum Empfangsbereich auf der anderen Seite der Wand. »Wie können wir wissen, was sonst noch so fehlt?«
    Renz fuhr sich mir der Hand übers Gesicht. Dabei zog er die Haut unter seinen Augen so weit nach unten, dass er richtig traurig aussah. »Um Himmels willen! Sie verstehen es wirklich, Dinge zu verkomplizieren.«
    »So ist das eben, wenn Sie meine Meinung hören wollen. Und meist sind die Dinge tatsächlich kompliziert, wenn man versucht, zur Wahrheit vorzudringen.«
    »Ich bin nicht an der Wahrheit interessiert, Quinn. Ich brauche Beweise. Das ist alles, was vor Gericht zählt.«
    Da hat er wohl nicht ganz Unrecht, dachte Quinn.
    Er bedankte sich bei Renz, dass er ihn zum Tatort gerufen hatte, dann erzählte er ihm, was Pearl und Fedderman gerade taten, bevor er ging.
    Er versuchte erst gar nicht, Renz darauf hinzuweisen, das Beweise normalerweise zur Wahrheit führen sollten, egal wie sie vor Gericht verwendet wurden. Dieses Verbindungsstück fehlte in Renz’ Kette der Logik. Ihm reichte es, wenn er genug hatte, um dorthin zu gelangen, wo er hin wollte, aber keinen Schritt weiter.
    Als Quinn die Tür hinter der blutbeschmutzen Praxis schloss, fragte er sich, ob die Polizei David Blank jemals zu fassen kriegen würde.
    Aber das war nicht sein Problem.

53
    Erfolgreiche Dekorateure waren ein flatterhafter Haufen. Sie rasten durch die Stadt, als ob der Teufel hinter ihnen her wäre, und waren nur schwer zu fassen. Hier kamen sie zu spät, da waren sie am falschen Ort, dort eilten sie ihrem Zeitplan voraus. Anscheinend konnten sie alles organisieren, nur nicht ihren Terminkalender.
    Pearl schaffte es schließlich, Victory Wallace in einem heruntergekommenen roten Backsteingebäude auf der Christopher Street in Greenwich Village zu erwischen. Es war offensichtlich, dass das Haus gerade renoviert wurde. Aus einem Fenster im zweiten Stockwerk hing ein dicker Schlauch, der direkt in einen rostigen Container führte. Das Schaufenster des Geschäfts im Erdgeschoss war mit Sperrholzplatten verbarrikadiert, die mit Graffiti übersät waren. book ’em all stand dort in großen, schwarzen Buchstaben. Die ersten drei Buchstaben sahen etwas komisch aus, und Pearl konnte sich denken, wie die ursprüngliche Botschaft gelautet hatte. Manchmal dachte sie das Gleiche.
    Zwei Vans und ein Pick-up, dessen Ladefläche mit Schrott beladen war – verrostete Rohre, kaputte Wandbauplatten, gebrochene Latten, eine alte Tür –, standen in der Nähe des Eingangs, dessen Tür fehlte. Pearl vermutete, dass es die Tür auf dem Pick-up war.
    Sie hörte jemanden hämmern, als sie das Gebäude betrat. Durch die wenigen Fenster, die nicht verbarrikadiert waren, fiel spärlich Tageslicht. Bereiche, die davon nicht erhellt wurden, waren mit Baustellenstrahlern ausgeleuchtet. In der Luft hing feiner Staub – Gipsstaub, wie Pearl vermutete. Ein stämmiger Mann in Jeans und ärmellosem Shirt stand auf einer Leiter und verteilte mit einer Kelle Gipsputz über den Fugen zwischen den frisch angebrachten Gipskartonplatten. Ein dünner Teenager, dessen nackter Oberkörper von Tattoos übersät war, schliff den getrockneten Putz ab – der Grund für all den Staub. Sein kurzes blondes Haar war von einer grauen Schicht bedeckt, die ihn aussehen ließ, als wäre er vorzeitig gealtert. Im hinteren Bereich des Raums, dessen Innenwände eingerissen worden waren,

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