Opferschrei
etwas wie vertrauliche Geheimnisse nicht.«
»Es gibt sie«, meinte Quinn. »Aber immer nur kurz.«
»Wie wahre Liebe.«
»Ich habe eine Überwachungskamera in der Lobby gesehen. Hat sie irgendetwas Interessantes aufgenommen?«
»Sie meinen den Mörder auf seinem Weg herein oder hinaus? Nein. Als wir die Kamera entdeckt haben, hatte sie das Band schon wieder überspielt. Jeder, der darauf zu sehen ist, kam oder ging lang nach den Morden.«
»Was ist mit den Patientenakten?«
»Sie scheinen nicht angerührt worden zu sein. Es sieht so aus, als hätte der Mörder den Empfangsbereich betreten, die arme Sprechstundenhilfe umgebracht und ihre Leiche im Wandschrank versteckt. Dann kam er ins Sprechzimmer und hat sich der Ärztin gewidmet.«
»Vielleicht hat es sich ein Patient anders überlegt, nachdem er während der Sitzung etwas preisgegeben hatte, und wollte es zurücknehmen.«
»Gut möglich.«
»Der Mörder hat nicht aus einer Laune heraus gehandelt«, sagte Quinn. »Das Blut der Sprechstundenhilfe ist nur im Wandschrank. Es sieht so aus, als wäre sie erst bewusstlos geschlagen worden, bevor sie dann im Wandschrank erstochen wurde.«
»Ich bin zum selben Ergebnis gekommen. Der Mörder wollte sie aus dem Weg haben. Dr. Maxwell war das Primärziel.«
»Haben Sie ihre Patientenakten durchgesehen?«
»Das ist rechtlich gesehen ziemlich heikel«, sagte Renz. »Wir versuchen gerade, einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken.«
»Haben Sie Ihre Patientenakten durchgesehen?«, wiederholte Quinn im selben Ton.
»Ja. Und ungefähr das gefunden, was man erwarten würde. Aber es gibt ein paar Namen, die ganz interessant sind.«
»Und potenziell nützlich für Leute, die das so schamlos auszunutzen wissen wie Sie.«
»Sie könnten sich als nützlich für unsere Seite erweisen.«
Er hatte recht. Unsere Seite. Unser Team. Der Gedanke ließ Quinn zusammenzucken.
»Und sind Sie nicht genau der Richtige, wenn es um Scham geht?«
Quinn spürte, wie Wut in ihm hochstieg, aber er schluckte sie hinunter. »Sie sagten, es gäbe eine Spur?«
»Wenn man es so nennen kann. Die Sprechstundenhilfe hat die Termine der Patienten mit einem Software-Programm auf dem Computer verwaltet, aber sie war altmodisch und hatte kein Vertrauen in die Technik. Wie wir. Deshalb hat sie alle Termine und Namen zusätzlich in ein Buch geschrieben. Einer der Namen im Buch fehlt im Computer und im Aktenschrank. Ein Patient namens David Blank.«
»Sie glauben also, Blank hat die beiden umgebracht, seinen Namen aus dem Kalender im Computer gelöscht und seine Akte mitgenommen, aber er wusste nichts von dem Buch.«
»Das ist meine Vermutung. Er war der letzte Termin am Tag der Morde. Der erste Termin am nächsten Morgen hat die Leichen entdeckt und die Polizei verständigt. Wir sind ziemlich sicher, das Blank auch schon früher Termine hatte, weil der Kalender einige Lücken aufweist. Verdammter Computer. Einfach suchen und löschen. Sehr bequem für Verbrecher.«
»Bits und Bytes haben kein Gewissen.«
»Wenn Sie das sagen. Da drüben auf dem Schreibtisch liegt ein Diktiergerät. Einige der anderen Patienten haben ausgesagt, dass sie immer so gearbeitet hat. Sie hat ihren Patienten zugehöhrt und die Sitzungen aufgenommen, damit sie sie später analysieren konnte. Die Bänder wurden in der Akte aufbewahrt. Es befindet sich keins im Gerät.«
»Also wollte David Blank sämtliche Beweise dafür vernichten, dass er ihr Patient war.«
»So sieht es auf jeden Fall aus. Und wie sich herausgestellt hat, ist es ziemlich schwierig, ihn ausfindig zu machen. Die wenigen David Blanks, die wir finden konnten, scheiden als Verdächtige aus. Wir haben also nicht mehr als einen Namen. Der David Blank in Hannah Bests Terminkalender existiert nicht und hat nie existiert. Er ist nur real, weil er wahrscheinlich diese beiden Frauen hier umgebracht hat.«
Quinn starrte den Umriss aus Kreppband auf dem Boden an und versuchte, sich vorzustellen, dass ein Mensch dort lag. Ein Mensch, den Renz als Schönheit bezeichnet hatte, mit Freunden, Familie und einem Abschluss in Medizin. Gut aussehend, intelligent, hatte alles gehabt, was man sich nur wünschen konnte. Gehabt war das entscheidende Wort. Werd bloß nicht sentimental. Vielleicht hatte sie gar keine Familie. Aber selbst ich habe eine Familie. Zumindest ein paar Überbleibsel. Die Familie Franzine in spe. »Wenn David Blank die Tat begangen hat, nachdem er sich die Mühe gemacht hatte, eine falsche Identität
Weitere Kostenlose Bücher