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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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der Säge oder dem Pinsel umgehen konnte.
    Wenn Romulus etwas zur Strecke brachte, dann höchstens schlechten Geschmack.
    Romulus war, wie Victory selbst, ein Künstler, ein Seelenverwandter. Er war kein Teil der profanen Welt, die viel zu oft versuchte, von ihrer Welt Besitz zu ergreifen.
    Ein wahrer Künstler. Und was war in dieser beschissenen, abgefuckten Stadt wertvoller?
    Der Night Prowler beobachtete, wie Claire ihr Wohnhaus verließ und in ihrem unglaublich graziösen Gang die andere Straßenseite hinunterschritt. Wie sie sich – ihre Hüften, ihre Arme, ihre Beine – zu einer himmlischen Musik bewegte, die nur er hören, deren Kaleidoskop der Farben nur er sehen konnte. War sie auch Tänzerin? Viele Broadway-Stars konnten nicht nur singen und schauspielern, sondern auch tanzen. Viele fingen als Revuetänzerin an und wurden dann Schauspielerin. Oder war es umgekehrt? Er wusste es nicht sicher, aber für ihn war Claire eine Tänzerin.
    Claire ging zielstrebig die Straße entlang.
    Ist sie mit jemandem verabredet? Mit jemandem, der ich sein sollte?
    Sie bog um eine Ecke, und der Night Prowler musste schnell die Straße überqueren, um mit ihr mitzuhalten. Er schlängelte sich durch den nur langsam vorwärtskriechenden Konvoi der Autos. Ein verärgerter Fahrer brüllte ihm wüste Verwünschungen hinterher. Der Night Prowler ignorierte ihn, anstatt ihn zu töten, und ging eilig weiter.
    Ah! Da ist sie! Im Schatten des Tals des …
    Dann trat sie in das helle Neonlicht unter dem Vordach eines Kinos. Wollte sie sich einen Film ansehen? Allein?
    Aber sie hielt nicht am Schalter an, um sich eine Karte zu kaufen, bevor sie den Eingangsbereich betrat.
    Der Night Prowler drosselte sein Tempo und ging an den geschlossen Geschäften vorbei.
    Durch die Glastüren sah er, wie Claire sich lächelnd mit dem jungen Mann unterhielt, der die Karten abriss. Nach einer Weile lächelte er zurück – natürlich war er von ihr verzaubert –, und Claire ging an ihm vorbei und durchquerte den mit Teppich ausgelegten Vorraum des Kinos.
    Der Night Prowler stieß die Tür auf und tat so, als würde er die Plakate im Eingangsbereich studieren, während er Claire weiterhin im Auge behielt. Das Kino spielte zurzeit alte Science-Fiction-Streifen, das Plakat vor ihm warb für I Married a Monster from Outer Space . Er war sich ziemlich sicher, dass er den Film vor Jahren gesehen hatte. Er erinnerte sich an die üppige Brünette mit dem Pony, die auf dem Plakat kreischte. Vier Sterne.
    Claire stand an der Süßigkeitentheke und wartete geduldig hinter einem Mann mit Glatze, der sich Popcorn kaufte. Der Night Prowler ging näher und stellte sich vor das Plakat, das dem Eingang zum Vorraum am nächsten war. Es warb für den Film, der an diesem Abend gespielt wurde, Creature from the Black Lagoon . Auch an diesen Streifen konnte sich der Night Prowler erinnern, es war ein Klassiker, wie er wusste. Richard Carlson, der in seine Taucherbrille spuckte und in Florida herumschwamm. Hatte Carson nicht auch in I led 3 Lives gespielt? Der Film war im Fernsehen gelaufen. Drei Leben? Das ist ja gar nichts!
    Nachdem der Glatzkopf Salz über sein Popcorn gestreut und endlich Platz gemacht hatte, trat Claire einen Schritt nach vorn und zeigte auf etwas in der Auslage. Die Frau hinter der Theke bückte sich, richtete sich wieder auf und gab ihr eine große Schachtel. Selbst aus der Entfernung erkannte der Night Prowler die Marke – schokoladenumhüllte Minzplätzchen in einer grün-weißen Verpackung. Er erinnerte sich daran, in einer E-Mail auf Claires Computer gelesen zu haben, dass es ihre Lieblingsnascherei war.
    Sie versuchte sich also, die Muffins abzugewöhnen, oder sie waren ihr plötzlich zuwider. Frauen …
    Sie kommt!
    Er drehte sich um, damit sie sein Gesicht nicht sehen konnte. In der Glasscheibe vor dem Black-Lagoon -Plakat beobachtete er, wie sie an ihm vorüberging, ohne ihn anzusehen. Die Kreatur auf dem Plakat, irgendeine Art von Amphibie, starrte ihn finster an. Sie wusste, was er vorhatte.
    Der Night Prowler wartete eine gute Minute, bevor er sich umdrehte. Dann ging er nach draußen und kaufte sich eine Karte, auch wenn die Frau am Schalter ihm erklärte, dass der Film längst angefangen hatte.
    Im Kino ging er zur Süßigkeitentheke und kaufte sechs Packungen Minzplätzchen, bevor er den abgedunkelten Vorführraum betrat und sich einen Platz suchte.
    Er machte es sich gemütlich, öffnete eine der Plätzchenschachteln und fing an,

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