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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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bearbeitete ein Mann in einem ausgebeulten Overall mit einer Kreissäge Bretter, die auf zwei Böcken lagen. Zu Pearls Linken stand ein anderer Bauarbeiter auf einer Trittleiter und schwang einen Hammer mit rotem Stiel.
    Mitten in dem geschäftigen Treiben der Handwerker stand eine Gestalt, die in ihrer engen schwarzen Lederhose, den Plateauschuhen und dem himmelblauen Hemd mit Puffärmeln völlig fehl am Platz wirkte. Pearl wünschte, sie hätte den Taillenumfang des Kerls, ganz zu schweigen von seinem Hinterteil.
    »Sind Sie Mr Wallace?«, fragte sie ihn, als das Kreischen der Säge kurz aufhörte.
    Als er sich zu ihr drehte, sah sie, dass er mit seinem kräftigen Kinn und den dunklen Wimpern ziemlich attraktiv war. Er hielt seine Hand hoch und bildete mit Zeige- und Mittelfinger ein V. »Victory, meine Süße. Ich heiße Victory.« Völlig unverhohlen musterte er sie von oben bis unten. »Und Sie sind Detective Kasner. Die, die angerufen hat.«
    »Sofern es keinen anderen Detective gibt, der Kasner heißt«, sagte Pearl. Der Lärm, den die Kreissäge und der Hammer verursachten, war ohrenbetäubend. »Können wir irgendwo reden, wo es etwas ruhiger ist?«
    »Die Wände«, brüllte Victory.
    Wenn sie Ohren haben, sind sie ganz bestimmt taub. »Was ist mit den Wänden?«
    »Was halten Sie von einem hellen, fleischfarbenen Ton für die Wände?«
    Pearl blickte sich um. »Ich weiß nicht. Was soll aus diesem« – Kreiiisch! – »Gebäude denn werden?«
    »Ein erotisches Internetcafé.«
    Pearl legte eine Hand an ihr Ohr. »Ein exotisches Internetcafé?«
    »Erotisch!«
    Bumm, bumm!
    »Aha«, sagte Pearl. Sie deutete auf ihr rechtes Ohr und zuckte die Achseln. »Irgendwo, wo es ruhiger ist, okay?«
    Victory nickte und führte sie zu einer Hintertür, die zu einem kleinen Hinterhof führte. Ein Ahorn, der von vertrockneten Blumen umgeben war, spendete Schatten. Das Hämmern und Sägen war kaum mehr hörbar.
    »Besser«, sagte Pearl. »Also, wie komme ich an einen Job in einem erotischen Internetcafé?«
    Victory warf ihr einen unsicheren Blick zu und lächelte, ohne etwas zu sagen. Er versuchte noch immer herauszufinden, um was es hier eigentlich ging. Immerhin war es ziemlich beunruhigend, wenn die Polizei auftauchte und von Mord redete.
    »Und was genau ist ein erotisches Internetcafé?«, fragte Pearl.
    »Es ist wie jedes andere Internetcafé, Liebes, nur das wir Zugang zu den erstaunlichsten Websites bieten. Außerdem hat das Gebäck ein etwas anderes Aussehen. Aus Teig kann man nämlich viel mehr als nur Bagels und Donuts formen, manches davon ziemlich zweideutig, wenn nicht sogar anzüglich.«
    »Und Sie haben den Auftrag, das Café einzurichten?«
    »Sie sagen es.«
    Gute Wahl. »Fleischfarben halte ich für passend«, meinte Pearl, »aber passen Sie auf, dass Sie nicht zu viel schamhaftes Rot hineinmischen.«
    »Ich werde Ihre Meinung bei der Entscheidung berücksichtigen.« Er wedelte mit dem Arm, um seine Aussage zu unterstreichen. Pearl sah, dass er Doppelmanschetten mit goldenen Manschettenknöpfen trug – wahrscheinlich aus echtem Gold. Man konnte wirklich mit jedem Schwachsinn Geld verdienen. »Falls es hier um die arme Marcy Graham und ihren Mann geht, ich habe schon mit einem ihrer Kollegen gesprochen. Welchem Umstand verdanke ich dieses zweite Tête-à-Tête? Bin ich etwa verdächtig?«
    »Nein. Sie scheiden als Verdächtiger aus. Im Moment zumindest«, fügte sie in der Hoffnung, das schmierige Lächeln aus seinem Gesicht zu verbannen, hinzu.
    Das Lächeln veränderte sich nicht. »Ich schaue Law and Order , Detective. Ich weiß, dass die Wahrheit früher oder später immer ans Licht kommt.«
    »Im wahren Leben ist aber meist jemand wie ich nötig, der sie ans Licht zerrt.«
    »Und wo findet man das wahre Leben?«
    Pearl lachte. »Um Ihnen das zu sagen, braucht es einen besseren Detective als mich. Aber Marcy Graham und ihr Mann haben den wahren Tod gefunden, nachdem sie ihre Wohnung vor ein paar Monaten von Ihnen ausstatten lassen haben. In der Akte steht, dass Sie einen Schlüssel von Marcy bekommen haben.«
    »Richtig. Das ist nicht ungewöhnlich. Die meisten meiner Klienten haben nichts dagegen, wenn ich Zugang zur Wohnung habe, und sie ziehen es vor, während meiner Arbeit außer Haus zu sein.«
    »Haben Sie den Schlüssel einem ihrer Handwerker gegeben? Einem von denen, die die körperliche Arbeit für Sie erledigen?«
    »Ein paar Mal. Aber ich habe ihn immer am selben Tag zurückbekommen. Ich

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