Opferschrei
ich nicht«, sagte Renz. »Ich habe heute Morgen schon im Krankenhaus angerufen, und sie haben mir erlaubt, mit Fedderman zu sprechen. Er wird heute Nachmittag mit einer Schiene am Arm entlassen. Und er will weiter am Fall mitarbeiten.«
»Das sollte er nicht tun.«
»Das Gleiche sagt Alice.«
»Was haben Sie zu ihm gesagt?«
»Ich habe gesagt, dass er natürlich weiter am Fall arbeiten kann, egal was seine Frau sagt. Das sollen die beiden unter sich ausmachen.«
Quinn setzte gerade an, Renz zu sagen, was für ein Arschloch er sei, als er merkte, dass Renz schon aufgelegt hatte.
Er tat das Gleiche. Als er aufblickte, sah er Pearl im Türrahmen stehen. Ihre Augen waren verquollen, und sie trug nur Quinns riesiges T-Shirt, in dem sie geschlafen hatte. Er fand, dass sie wunderschön aussah in der Morgensonne, die sie zur Hälfte in Licht tauchte. Er vergaß die Kakerlake und wie schlecht das Leben ihm vor ein paar Minuten noch erschienen war.
»Mit wem hast du telefoniert?«, fragte sie.
»Mit dem Krankenhaus. Fedderman wird heute Nachmittag entlassen.«
»Großartig! Dann kann er jetzt eine Weile zu Hause seinen Arsch breitsitzen und Hühnersuppe löffeln.«
»Er wird weiter am Fall arbeiten, außer Alice wickelt ihn mit Isolierband ein, um ihn davon abzuhalten.«
»Isolierband. Das haben wir noch nicht ausprobiert.«
»Pearl, zieh dich an.«
»So wie du?«
Quinn merkte, dass er nur mit seinen Boxershorts bekleidet am Küchentisch saß.
»Wir brauchen uns heute Morgen nicht mit Fedderman auf der Bank zu treffen«, erinnerte ihn Pearl.
»Stimmt. Dann lass uns irgendwo frühstücken gehen und die Zeitungen lesen.«
»Ich hab keinen Hunger. Und wir wissen eh, was in den Zeitung steht.«
»Pearl …«
»Es gibt keinen Grund, warum wir uns nicht noch eine Weile hinlegen sollten. Ausgezogen sind wir ja schon.«
Ihm fiel kein Gegenargument ein.
*
Claire wachte auf und brauchte Schokolade.
Ihre unangemessenen, überwältigenden körperlichen Gelüste während der Schwangerschaft behagten ihr überhaupt nicht. Sie waren so unnatürlich und untypisch für sie, dass sie sie daran erinnerten, wie tiefgreifend die Veränderungen sein mussten, die in ihrem Körper und Geist vor sich gingen. Es war wirklich beunruhigend, dermaßen von der Natur, von den Hormonen bestimmt zu sein. Wenn sie morgens aufwachte und Schokolade brauchte, koste es, was es wolle, welche anderen unwiderstehlichen Verlangen könnten sie dann noch überfallen?
Sie stieg aus dem Bett, zog ihr Nachthemd aus und begutachtete ihren nackten Körper in dem großen Spiegel an der Schlafzimmertür. Mit den richtigen Kleidern und den richtigen Kostümen in Hail to the Chef konnte sie ihre Schwangerschaft immer noch verbergen, aber sie wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie das Ensemble verlassen musste. Sie wollte die Entscheidung selbst treffen und nicht Fred Perry, den Regisseur, oder Chris Jackson, den Autor, dazu zwingen, ihr sagen zu müssen, wenn es an der Zeit war.
Zum wiederholten Mal dachte sie, wie schön es war, schwanger zu sein, trotz der vielen Erschwernisse. Dehnungsstreifen – was soll’s? Morgendliche Übelkeit – na und? Sie lächelte sich im Spiegel zu und tätschelte ihren Bauch, bevor sie barfuß ins Bad tappte, um zu duschen.
Claire war sehr vorsichtig, als sie in die Porzellanbadewanne mit dem hohen Rand stieg. Von Tag zu Tag wurde es schwieriger, ein Bein zu heben und auf dem anderen zu balancieren, und für das Baby konnte ein Sturz fatale Folgen haben.
Sie zog den Duschvorhang zu, drehte das Wasser warm und genoss ihre Dusche. Ihre Sinne schienen viel wacher zu sein, seit sie schwanger war.
Zurück im Schlafzimmer, nachdem sie sich abgetrocknet und ihre nassen Haare gekämmt hatte, zog Claire die dritte Kommodenschublade auf, um eine Unterhose herauszuholen. Ihr Blick fiel auf etwas silbern Glänzendes.
Sie zog die Schublade weiter auf, schob ihre Unterwäsche zur Seite und entdeckte einen silbernen Verschluss, der wahrscheinlich zu einer Kette oder einem Armband gehörte. Als sie einen BH ganz hinten in der Schublade wegzog, fand sie eine wunderschöne Halskette mit einem Rubin.
Claire war völlig überrascht, doch nachdem sich ihr anfängliches Erstaunen gelegt hatte, freute sie sich.
Die Kette musste ein Geschenk von Jubal sein. Wahrscheinlich hatte er keine Zeit mehr gehabt, sie ihr in Ruhe zu überreichen, deshalb hatte er sie in der Kommode versteckt. Komisch nur, dass er dafür die
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