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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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Schublade mit ihrer Unterwäsche gewählt hatte. Aber er wusste, dass sie sich zurzeit eher bequem anzog und selten einen BH trug, und die Kette war ganz hinten in der Schublade gewesen.
    Oder er hatte gewollt, dass sie sie fand. Eine Überraschung. Wie die anderen Überraschungen, für die er in letzter Zeit gesorgt hatte.
    Sie warf einen Blick auf den Radiowecker auf dem Nachttisch. Es war fast halb zehn – halb neun in Chicago. Jubal würde schon wach sein, noch nicht im Theater, aber vielleicht gerade beim Frühstück.
    Claire fröstelte etwas nach der Dusche, deshalb zog sie eine Unterhose an und schlüpfte in ihren Morgenmantel und ihre Hausschuhe, nachdem sie die Kette hochgehalten und bewundert hatte. Dann ging sie in die Küche, um einen koffeinfreien, ärztlich genehmigten Kaffee aufzusetzen. Sie merkte, dass sie immer noch die Kette in der Hand hielt. Ihr Verlangen nach Schokolade war plötzlich verschwunden. Sie lächelte. Schmuck konnte so etwas bei Frauen bewirken, selbst wenn sie schwanger waren.
    Sie schaltete die Kaffeemaschine ein, dann legte sie sich die Kette um den Hals und schloss sie in ihrem Nacken. Sie fühlte sich kühl an auf der Haut. Sie betrachtete ihr Spiegelbild in der dunklen Tür der Mikrowelle und nickte anerkennend.
    Als ungefähr ein Fingerbreit Kaffee in der Glaskanne war, schaltete sie die Maschine aus und schenkte sich eine Vierteltasse voll heißen, aber viel zu starken Kaffee ein. Dann setzte sie sich mit ihrem »Espresso« und ihrem Handy an den Küchentisch und wählte Jubals Nummer.
    *
    Jubal küsste gerade Dalias linke Brustwarze, als er die ersten Töne der Wilhelm-Tell-Ouvertüre vernahm.
    »Was zum Teufel war denn das?«, fragte Dalia und drückte seinen Kopf von ihr weg.
    Jubal brauchte einen Moment, um sich zu konzentrieren und ihr eine Antwort zu geben. »Mein Handy.«
    »Ich dachte, wir würden von einer Horde Cowboys angegriffen.«
    Jubal rutschte von ihr herunter und drehte sich schwerfällig auf die Seite. Er griff nach seinem Sakko, das über einer Stuhllehne neben dem Bett hing. Er brauchte länger, als ihm lieb war, um sein Handy zu finden und aus der Tasche zu fischen. Die Ouvertüre schmetterte fröhlich weiter.
    »Ja?«, sagte er in sein Telefon. Es war zu früh, um höflich zu sein, und sein schläfriger Kopf war immer noch voll von Dalia und den Dingen, die er mit ihr tun wollte.
    »Jubal?«
    O Gott! Claire!
    »Hallo, Claire.” Er warf Dalia einen Seitenblick zu. »Ich habe gerade an dich gedacht, während ich mich angezogen habe. Ich gehe gleich zum Frühstück.«
    »Ich rufe wegen der Kette an.«
    Kette? Nein, nein! Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er musste ihr antworten. Ohne bedeutungsschwangere Pause. »Kette?«
    Sie lachte. »Warum klingst du denn so schuldig? Ich denke, du weißt, was ich meine. Ein Rubin an einer Silberkette. Elegant. Wunderschön.«
    »Du hast, äh, eine Kette gefunden?«
    »In meiner Kommode, zwischen meiner Unterwäsche versteckt.«
    »Versteckt?«
    »Ja, ganz hinten in der Schublade.«
    »Ich weiß nichts von …«
    Jubal begriff, was geschehen sein musste. Die Kette hatte sich von der Rückseite der Schublade über der Schublade mit ihrer Unterwäsche gelöst. Dalias Kette. Und zufälligerweise war sie nicht auf den Boden der Kommode gefallen, sondern war irgendwo hängengeblieben und in die Schublade darunter geplumpst. Oder sie hatte die Schublade, an der die Kette geklebt war, nicht ganz zugeschoben gehabt.
    Aber egal wie – sie hatte die Kette gefunden.
    Er überlegte, ob er lügen sollte, aber nun war er an eine frühere Lüge gebunden.
    Jubal wusste, wann er es nicht zu weit treiben durfte. Wenn er jetzt seine Taktik änderte und so tat, als sei die Kette tatsächlich ein Geschenk von ihm, würde Claire vielleicht spüren, dass etwas nicht stimmte. Das Beste war wohl, wenn er sich weiter dumm stellte.
    »Die Versuchung ist zwar groß, so zu tun, als sollte die Kette ein Geschenk für dich sein«, sagte er, »aber ich will dich nicht anlügen. Die traurige Wahrheit ist, dass ich nichts davon weiß.«
    Dalia war klar, dass er mit Claire sprach, und starrte ihn von der anderen Seite des Betts aus an. Sie spitzte ihre Lippen und schickte einen Kuss in seine Richtung.
    Verdammt, Dalia!
    »Jubal?«
    »Ganz ehrlich, Claire. Wir haben die Kommode secondhand gekauft. Die Kette muss dem Vorbesitzer gehört haben. Oder immer noch gehören. Vielleicht ist es nur Modeschmuck, vielleicht eine Kinderkette, sonst wäre sie

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