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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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ihm und den Elzners, und er wurde nur kurz am Telefon befragt.«
    »Und warum habt ihr ihn befragt?«
    »Seine Wohnung liegt gleich neben dem Aufzug.«
    Quinn lächelte.
    Pearl lächelte zurück. »Er kann den Aufzug durch die Wand hören. Wie viele einsame, alte Menschen, die allein leben, kann er nicht gut schlafen, und er war in der Mordnacht fast die ganze Zeit über wach. Er hat den Aufzug gehört und erinnerte sich daran, weil es so spät war. Er meint, er hat ihn noch nie zu dieser Zeit gehört.«
    »Zwei Uhr fünfundfünfzig«, sagte Fedderman zu Quinn.
    »Ganz genau?«
    »Er sagt, er hat auf seine Uhr geschaut«, sagte Pearl. »Er trägt sie auch im Bett. Er meint, es hat sich angehört, als hätte der Aufzug auf seinem Stockwerk angehalten. Und dem der Elzners. Ungefähr zwanzig Minuten später fuhr er wieder nach unten.«
    »Wirkt er glaubwürdig?«
    »Sehr. Und seine Uhr ist extra für alte Menschen mit schlechten Augen gemacht, so groß wie ein Wecker und mit Zeigern und Zahlen, die hell genug leuchten, um ein Buch damit zu lesen.« Sie nahm noch einen Schluck Wasser und beobachtete einen wackligen Inlineskater. »Es ist nicht wirklich viel.«
    »Zumindest hilft es uns, den Todeszeitpunkt zu bestimmen«, sagte Quinn.
    »Und was hast du herausgefunden?«, fragte Fedderman.
    »Ich habe meine Schwester Michelle besucht.«
    Sie sahen ihn beide an. »Die Aktienanalystin?«, fragte Fedderman.
    »Genau die.«
    Pearl schüttelte den Kopf und grinste. »Die sind nicht gerade für ihre Glaubwürdigkeit bekannt.«
    »Nicht, wenn es um Aktien geht, das stimmt. Aber Michelle ist nicht nur an Aktien interessiert. Sie ist ein Mathe- und Computerfreak. Sie erstellt auch vergleichende Analysen von anderen Dingen, manchmal einfach nur zum Spaß. Ich habe sie gestern etwas gefragt, und sie hat fast die ganze Nacht und einen Teil des Morgens damit zugebracht, eine Antwort zu finden. Sofern es überhaupt eine Antwort gibt.«
    »Eine Frage, die mit Mördern zu tun hat?«, fragte Pearl.
    »Richtig. Sie hat im Internet nach Statistiken über Serienkiller recherchiert. Überraschend viele von ihnen planen ihre Morde nicht konkret, sondern sind darauf vorbereitet, zu töten, falls es die Situation erfordert. Sie begeben sich aber zwanghaft in solche Situationen, in denen sie keine andere Wahl haben und das Töten in ihren Augen nicht ihre Schuld ist.«
    »Klingt wie das Zeug, das ein Pflichtverteidiger normalerweise von sich gibt«, sagte Fedderman.
    »Er meint, dass sie die Situationen heraufbeschwören«, sagte Pearl. »Wie Teenager, die ihre Eltern bis aufs Blut reizen. Für Erwachsene gehört es sich nicht, auszurasten, aber wenn man sie dazu bringen kann, ist alles, was darauf folgt, ihre Schuld. Denken zumindest die Teenies.«
    Fedderman schraubte den Verschluss seiner Flasche ab und trank einen Schluck. »Manche von ihnen denken auch noch mit siebzig so.«
    »Es ist nicht unbedingt der Vergleich, den ich gewählt hätte«, meinte Quinn, »aber er passt ziemlich gut. Ich nenne es Michelles Szenario-für-einen-Mord-Theorie. Wenn die Elzners nicht zufällig ermordet wurden, wenn der Mörder zumindest damit gerechnet hat, dass er es eventuell tun muss und darauf vorbereitet war, oder es vorsichtshalber im Detail geplant hatte, bedeutet das, dass er es aus seinen ganz persönlichen Gründen getan hat. Und die Art von Gründen, die nicht einfach wieder verschwinden.«
    »Und?«, fragte Fedderman.
    »Er hat eine Türe aufgestoßen, die sich nur zu einer Seite öffnet und zu einer anderen Tür führt.«
    Fedderman schüttelte den Kopf. »Du sprichst in Rätseln, seit du alt geworden bist.«
    Pearl verstand sofort. »Sie meinen, wir sollten darauf warten, dass er ein weiteres Mal tötet?«, fragte sie. »Dass wir es vielleicht mit einem Serienmörder zu tun haben?«
    »Ganz genau«, sagte Quinn und lächelte.
    Sein Lächeln jagte Pearl einen Schauer über den Rücken. Es war nicht amüsiert. Es war eher das Lächeln eines Jägers, der die Fährte seiner Beute aufgenommen hatte. Der sich durch nichts in der Welt mehr abschütteln ließ.
    Und es handelte sich tatsächlich um genau dieses Lächeln. Sie wusste, wo sie es schon einmal gesehen hatte: als sie im Kinderzimmer der Schwester eines ermordeten Kindes am Spiegel vorbeigegangen war und zufälligerweise einen Blick auf ihr eigenes Gesicht erhascht hatte. Es hatte ihr damals ein wenig Angst gemacht. Es machte ihr auch jetzt Angst.
    Und Pearl fragte sich, woher Quinn so viel über

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