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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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worden wäre. Wahrscheinlich würde Egan sie auch heute noch gerne auf dem Scheiterhaufen sehen.
    Irgendetwas an ihr gefiel ihm. Welcher Schmerz treibt dich an?
    »Bin ich der Boss?«, fragte er sie. »Oder müssen wir das erst noch ausfechten?«
    »Das wäre reine Zeitverschwendung«, antwortete Pearl.
    Quinn beschloss, sie nicht zu fragen, was sie damit meinte. »Ihr zwei könnt euch hinsetzen«, sagte er. »Ich habe schon eine Weile gesessen.«
    Fedderman fläzte sich mit gespreizten Beinen auf die Bank. Pearl dagegen saß kerzengerade, hielt ihren Notizblock auf dem Schoß und sah so aus, als ob sie bereit wäre zum Diktat.
    Quinn erzählte ihnen, was er in der Mordakte der Elzners gelesen hatte und welche Schlüsse er daraus zog.
    Pearl machte ein paar Notizen und hörte aufmerksam zu. Er hatte das Gefühl, dass ihre Augen Narben bei ihm hinterlassen könnten.
    »Die Marmelade ist mir auch aufgefallen«, sagte sie, als er fertig war. »Ein fast volles Glas im Kühlschrank, und sie haben noch zwei Gläser besorgt, als sie einkaufen waren.«
    »Was bedeutet, dass sie nicht wussten, wie viel Marmelade sie noch hatten«, sagte Fedderman, »oder sie wollten sich ein paar Wochen in ihrer Wohnung verbarrikadieren und von Erdbeermarmelade leben, oder jemand anderes hat für sie eingekauft. Jemand, der nicht wusste, welche Lebensmittel aus waren.«
    »Oder jemand, der dachte, es könnte nicht schaden, wenn sie noch mehr Feinkost-Marmelade hätten«, sagte Pearl. »Ich neige zu Möglichkeit Nummer drei, dass jemand anderes die Sachen gekauft hat.«
    Fedderman lehnte sich vor und kratzte seinen linken Knöchel unter seiner Socke. Quinn fragte sich, ob er immer noch einen kleinkalibrigen Revolver um seinen anderen Knöchel geschnallt trug. Er schaute zu Quinn hoch, während er sich weiter kratzte. »Wir gehen also davon aus, dass ein Dritter die beiden Elzners umgebracht hat?«
    »Es bleibt uns nichts anderes übrig«, sagte Pearl, »wenn du nicht bis zur Rente Scheißjobs erledigen willst, ich nicht arbeitslos werden will und Quinn nicht weiterhin …«
    »… eine persona non grata sein will«, beendete Quinn ihren Satz.
    Sie nickte. »Okay, persona non grata . Das gefällt mir. Es klingt so christlich.«
    »Der Begriff stammt nicht aus der Bibel«, sagte Fedderman, »sondern von den alten Römern.«
    Sie schaute ihn mit großen Augen an. »Wirklich?«
    »Ich habe keinen Schimmer. Du bist so naiv, Pearl.«
    »Das bezweifle ich«, sagte Quinn. Er schaute demonstrativ auf seine Uhr. »Aber jetzt machen wir uns endlich an die Arbeit.«
    »Wir haben nichts Neues, mit dem wir arbeiten könnten«, bemerkte Fedderman.
    »Dann arbeiten wir eben mit dem, was wir haben. Ihr zwei geht noch einmal die Beweismittel durch und prüft, ob ich etwas übersehen habe. Dann sprechen wir noch einmal mit den Nachbarn der Elzners. Vielleicht hat jemand in den angrenzenden Gebäuden etwas gesehen. Vielleicht gibt es einen Hund, der in der Mordnacht gebellt hat oder so. Sie nehmen sich noch mal die Akte vor, Pearl. Fedderman und ich widmen uns den Zeugen.«
    Pearl sah aus, als wollte sie sich darüber beschweren, dass ihr der Schreibtischjob zugeteilt worden war, doch sie schluckte das, was sie auch immer hatte sagen wollen, hinunter. Sie wusste, dass Quinn sie testete, sie prüfte. Irgendetwas sagte ihr, dass es eine der wichtigsten Prüfungen war, die sie je hatte bestehen müssen.
    »Wir treffen uns wieder hier um sechs heute Abend. Wenn es regnet, treffen wir uns im Lotus Diner auf der Amsterdam Avenue.«
    »Da ist die Lebensmittelvergiftung vorprogrammiert«, meinte Pearl.
    »Ich weiß«, sagte Quinn. »Ich habe es nur vorgeschlagen, weil ich nicht davon ausgehe, dass es regnen wird. Wo steht euer Wagen?«
    »Auf der Central Park West«, antwortete Fedderman.
    »Dann los. Pearl kann uns beim Haus der Elzners absetzen und dann zur Wache fahren, um sich dort die Akte vorzunehmen.«
    Pearl und Fedderman standen auf. Fedderman reckte und streckte sich und schwang seine Arme, die noch immer unnatürlich lang aussahen, obwohl er zugenommen hatte. Dann folgten die beiden Quinn in der wärmenden Sonne. Sie wussten alle, dass sie vielleicht nur ihre Zeit verschwendeten, aber keiner erhob Einspruch.
    Quinn war zufrieden mit dem Ablauf ihres ersten Treffens. Unter all den Frotzeleien und den schlechten Witzen spürte er den Anfang eines gegenseitigen Verständnisses, vielleicht sogar Respekt.
    Vielleicht der Anfang eines Teams.

14
    Er lag

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