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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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«…   Menschen mit einer zwanghaften Persönlichkeit.»
    «Aha?»
    «Ich rede von einem Stalker. Jemandem, der von einer jungen Frau fasziniert ist. Sie vielleicht verfolgt   …»
    «So ein Mann könnte gefährlich sein.»
    Der Psychiater lächelte wieder. Unter ihrer Polyesterhose spürte Vera, wie ihre Haut kribbelte.
    «Sind es denn immer Männer?», fragte sie plötzlich.
    «Nein, nicht unbedingt.» Langsam strich er sich über den Bart. «Es sind viele Fälle von Frauen belegt, die ein ungesundes, an Wahnvorstellungen grenzendes Interesse an einem Mann an den Tag legen. Oft an einem ehemaligen Liebhaber. Meistens weigern sie sich zu glauben, dass die Beziehung zu Ende ist.»
    Jeanie Long hat nie akzeptiert, dass Mantel sie nicht liebte, dachte Vera. Aber sie war nicht geisteskrank.
    «Und wenn das Objekt der Zwangsvorstellungen eine junge Frau ist?», fragte Vera.
    «Dann ist es wahrscheinlicher, dass es sich um einen männlichen Stalker handelt», räumte der Arzt ein.
    «Wie könnte so jemand gefährlich werden?»
    «In seiner Phantasie empfindet das Objekt seiner Begierde genau wie er. Wenn diese Phantasie zerstört würde, könnte er Gewalt anwenden.» Er sah sie an. «Wir redenhier immer noch ganz allgemein darüber. Ich muss ausdrücklich feststellen, dass ich bei keinem meiner Patienten einen Beleg für ein solches Verhalten habe.»
    Und was soll das jetzt heißen? Dass du Dan Greenwood verdächtigst, Abigail Mantel verfolgt und umgebracht zu haben, aber keinen Beleg dafür hast? Oder dass er keiner Fliege etwas zuleide tun würde?
    Sie zügelte ihre Ungeduld. Es würde ihn ja doch nur belustigen, wenn sie die Ruhe verlor. «Gibt es so was wie einen Serien-Stalker?»
    «Was stellen Sie sich darunter vor?»
    «Nehmen wir an, das Szenario würde sich so abspielen, wie Sie es beschrieben haben. Der Stalker hat die junge Frau umgebracht und ist damit davongekommen. Ist es denkbar, dass er sich ein neues Opfer sucht?»
    «Sicher ist das denkbar.» Er schwieg. Sie hatte den Verdacht, dass er es genoss, sie ein wenig warten zu lassen. «Die Gewalt könnte ihn berauscht haben, erregt. Während diese Wirkung beim ersten Mal vermutlich unabsichtlich erreicht wurde, könnte sie danach zu einem wesentlichen Bestandteil der Phantasie werden.»
    «Er würde also davon träumen, sie umzubringen? Er würde es drauf anlegen?»
    «Wie ich schon sagte, es ist denkbar. Aber nicht unvermeidlich. Sie wissen ja bestimmt, dass nur sehr wenige psychisch kranke Menschen, nicht einmal die ernsthaft Verwirrten, Gewalttaten begehen.»
    «Würde ich es merken, wenn ich ihn sehe?», fragte Vera.
    «Was meinen Sie damit?»
    «Wenn es jemand wäre, dem ich auf der Straße begegne, oder bei Freunden oder bei der Arbeit, würde ich merken, dass er geistesgestört ist?» Dieses Wort warf sie ihm als Provokation hin. Er biss nicht an.
    «Auf der Straße mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht.»
    «Könnte so jemand denn ganz normal funktionieren, einer geregelten Arbeit nachgehen und sich trotzdem so verhalten?»
    Er dachte eine Weile darüber nach und fand dennoch keine befriedigende Antwort. «Ich bin kein forensischer Psychiater. Auf dem Gebiet bin ich wirklich nicht kompetent.»
    «Sagen Sie mir einfach, was Sie denken.»
    «Es würde eine beträchtliche Selbstbeherrschung erfordern. Die Trennung der Phantasiewelt vom alltäglichen Leben. Es wäre außergewöhnlich.»
    «Aber nicht unmöglich.»
    «Nein. Nicht unmöglich.»
    Auf der Rückfahrt dachte Vera, dass sie sich lächerlich gemacht hatte. Sie hätte nie zu dem Krankenhaus fahren sollen. Es war ein spontaner Einfall gewesen, ein Vorwand, um mal rauszukommen. Sie hatte überreagiert, nur weil Dan Greenwood ein paar Andenken an seinen letzten großen Fall aufbewahrte. Es wäre gar nicht gut, Gerüchte loszutreten, Dan Greenwood sei irgendwie gestört. An einem Ort wie diesem war das das Letzte, was er brauchte.
    Sie fuhr über den Platz und sah, dass er in der Schmiede arbeitete. Kurz war sie versucht anzuhalten. Warum fragte sie ihn nicht einfach, wieso er die Unterlagen zu dem Mantel-Fall aufhob und wie er in den Besitz des Fotos gelangt war? Aber sie fuhr die Straße weiter Richtung Küste, bis sie zu dem Crescent aus kleinen Häusern kam, wo er wohnte. Sie stellte das Auto ab und ging zu seinem Haus. In der Straße war alles ruhig. In einem der Häuser saß eine ältere Frau in ihrem Wohnzimmer und sah sich eine Spielshow im Fernsehen an. Sie hatte die

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