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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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geschwollenen Beine aufeine Fußbank gelegt, ein Gehwagen stand in Reichweite. Als Vera vorüberging, wandte sie den Blick nicht vom Bildschirm ab.
    Vera blieb vor Dans Haus stehen und ging dann zur Tür des Nachbarhauses. Sie klingelte. Niemand machte auf. Beim Nachbarn auf der anderen Seite war es das Gleiche. Die Straße war nur auf einer Seite bebaut. Bogenförmig lag sie um einen kleinen Kinderspielplatz. Nachdem sie sichergestellt hatte, dass niemand sie beobachtete, näherte Vera sich Dans Haus. Die Tür war verschlossen, wie sie es vermutet hatte. Sie schaute unter die Fußmatte. Kein Ersatzschlüssel. Neben der Stufe vor der Tür stand einer von Dans größeren Töpfen mit einem immergrünen Büschlein darin. Sie hob ihn hoch. Nichts. Das Schlafzimmerfenster nach vorn heraus war offen, aber sie besaß weder die Figur noch die Fitness, um ein Regenrohr hochzuklettern.
    Der Vorgarten war nicht gerade groß, ein Stück schlammige Wiese mit einer niedrigen Ligusterhecke ringsherum. Kein Ort, wo man etwas verstecken könnte. Zu den Gärten der Reihenhäuser gelangte man nur von den Feldern aus. Sie war kurz davor aufzugeben. Ihr war nicht danach, über Gatter zu klettern oder knöcheltief durch den Mist zu waten. Dann widmete sie sich noch einmal dem Busch in dem Topf und tastete zwischen den Holzspänen herum, die auf der Pflanzenerde verstreut waren. Ein Schlüssel für ein Steckschloss. Sie wischte ihn an ihrem Pullover ab und schloss die Tür auf, schlüpfte aus den Sandalen und legte sie mit der Sohle nach oben auf den Fußabtreter. Sie schloss die Tür hinter sich und tappte barfuß in Daniels Haus.
    Es ist eine Kunst, ein Haus zu durchsuchen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Man braucht Zeit. Doch Daniels Haus war einfacher zu durchsuchen als die meisten anderen. Er besaß kaum etwas, und es war aufgeräumt. Vera fing obenan. Dort gab es ein kleines Bad, das wahrscheinlich in den achtziger Jahren renoviert worden war, mit einer avocadofarbenen Badezimmergarnitur und schwarzem Schimmel in den Fugen der Badewanne. In dem verspiegelten Wandschränkchen fand sie eine Schachtel Paracetamol und ein Fläschchen Antidepressiva. Die hatte ihm sein Hausarzt verschrieben, nicht der Spezialist aus dem Krankenhaus. In Daniels Schlafzimmer stand ein Doppelbett, Laken und Bettdecke ordentlich glatt gestrichen. Keine Überdecke. Daneben ein Nachttischchen aus Kiefernholz. Er las gerade einen Roman von James Lee Burke, ein Taschenbuch mit lila-schwarzem Cover. In der Schublade fand sie ein Päckchen Kondome. Ungeöffnet. Wunschdenken? Oder hatte er eine Freundin gefunden? Irgendeine geheimnisvolle Frau, die bereit war, es mit ihm auszuhalten? Immerhin hatte er zugegeben, Caroline Fletcher auf einen Drink mit nach Hause genommen zu haben. Vielleicht steckte ja doch mehr hinter dieser Verbindung, als er preisgeben wollte. Seine Anziehsachen waren alle in einem weißen Einbauschrank, säuberlich zusammengelegt oder ordentlich aufgehängt. Der Wäschekorb in der Ecke war leer. Wenn er Christopher Winter umgebracht hatte, gäbe es keinen gerichtsmedizinischen Beweis mehr, um ihn mit dem Verbrechen in Verbindung zu bringen.
    Das zweite Zimmer lag nach hinten raus und war kleiner. Die schweren Stoffvorhänge waren zugezogen, und als Vera hereinkam, konnte sie erst nichts erkennen. Sie machte das Licht an. In dem Augenblick, ehe das Zimmer hell wurde, stockte ihr der Atem. Sie hatte auf einmal Angst vor dem, was sie finden könnte. Doch auf den ersten Blick sah sie nichts Ungewöhnliches. Vor dem Fenster stand eine reichverzierte Frisierkommode mit drei winkelförmig ausgerichteten Spiegeln, alle in billigen vergoldeten Rahmen.Dann, an der Wand, ein schmales Bett, auf dem eine geblümte Überdecke lag. Auf der Frisierkommode stand das Foto einer Frau. Der Frisur und Kleidung nach zu schließen, war es in den frühen Fünfzigern aufgenommen worden. Die Frau war jung und lächelte in die Kamera. Vielleicht Daniels Mutter? Von deren Erbe er die Schmiede gekauft und seine Töpferei eingerichtet hatte? Auf dem Bett lag ein Damenslip. Schwarz. Winzig. Vorn war ein Herz aus Pailletten aufgenäht. Nicht gerade die Art Wäsche, für die Caroline Fletcher sich begeistern würde. Zu aufdringlich, Massenware. Vera konnte das Wäschezeichen sehen. Der Slip stammte von einer Ladenkette, die sich vor allem an jüngere Käufer richtete. Es sollte möglich sein herauszufinden, wann der hergestellt wurde, überlegte Vera. Sie hoffte, dass er erst

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