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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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sollen.»
    «Und wo ist sie hin? Zu ihren Eltern?»
    «Nein. Das Auto ist noch da.»
    «Und Sie haben sie ganz allein weggehen lassen?» Im Dunkeln? Eine Woche nachdem ihr Bruder umgebracht wurde?
    «Sie ist in Sicherheit», sagte er. «Ich habe gesehen, dass sie rüber zur Schmiede gelaufen ist. Dan wird sich um sie kümmern.»
    «Warum ist sie denn zu Dan gegangen?»
    «Ich denke, sie wollte mit jemandem reden. Wir sind befreundet. Vielleicht meint sie ja, dass er es versteht, dass er es ihr verständlich machen kann. Oder dass ich mit ihm darüber geredet habe.»
    «Stehen sich die beiden denn so nahe?»
    «Nein!», rief er. «Nicht auf die Art.»
    «Ich gehe rüber», sagte sie. «Schauen, was da los ist.»
    «Dann komme ich mit.»
    «Besser nicht. Lassen Sie ihr ein bisschen Zeit. Vergessen Sie nicht, ich bin bei der Polizei, nicht bei der Eheberatung. Ich werde nicht versuchen, ihr irgendetwas einzureden.» Wenn ich sie da antreffe. Sicher und lebendig.
    Zurück auf der Straße, sah sie sofort, dass jetzt kein Licht mehr in der Schmiede brannte. Sie war sich sicher, dass es noch gebrannt hatte, als sie aus dem Pub gekommen war, aber sie hatte kein Auto losfahren hören, während sie mit James sprach, und aus dem Flur, bei offener Haustür, hätte sie es hören müssen, vielleicht hätte sie sogar gehört, wie jemand die großen Türen verriegelte und das Vorhängeschloss zudrückte. Ihr fiel ein, was Dans junge Nachbarin erzählt hatte, dass er nach dem Kunsthandwerkermarkt noch ausladen müsse. Vielleicht hatte im Hinterhof ja ein Lastwagen geparkt. Vielleicht waren sie mit dem weggefahren. Aber wo würde Dan sie hinbringen?
    All das schoss ihr durch den Kopf, während sie hinüber zur Töpferei lief, und dann kam ihr der abstruse Gedanke,dass sie wie einer der Abfallreste war, die hin und her über den Platz geweht wurden.
    Die Schmiede war von innen verriegelt, aber das Schloss hing nicht davor. Sie hämmerte mit der flachen Hand gegen die Türen und rüttelte daran, bis ihre Handflächen brannten. Niemand machte auf, und sie lief weiter, die Straße hinunter, auf der Suche nach einem Durchgang zum Hinterhof.
    Sie fand einen schmalen Weg, der eine Reihe Häuser durchschnitt. Er führte zu einer engen Gasse, in der die Autos der Anwohner parkten. Am Ende der Gasse war ein Holztor, das jetzt offen stand, und der Hof der Töpferei. Es gab keine Straßenlaternen, aber aus den rückseitigen Fenstern der Häuser kam Licht. Das hier galt als Privatgelände, und die meisten Leute hatten sich nicht die Mühe gemacht, die Vorhänge zuzuziehen. Sie konnte von außen in ihr geregeltes Leben hineinsehen: eine Mutter, die Windeln über die Heizung hängte, ein älterer Mann beim Geschirrspülen. In einem Zimmer saß ein junges Paar nach einem späten Abendessen beieinander, der Küchentisch war der Romantik halber mit einer weißen Tischdecke und einer Kerze geschmückt, und da stand eine Flasche Wein.
    Der Hof der Töpferei war leer. Falls Dan mit einem Lastwagen da gewesen war, dann war er auch schon wieder weg. Emma musste bei ihm sein, es sei denn, er hatte sie in der Töpferei gelassen. Vera sah sie vor sich in der staubigen Vorratskammer, vielleicht gefesselt und verängstigt, aber das konnte sie selbst nicht glauben. War sie etwa schon tot? Erdrosselt wie ihre beste Freundin? Vera schüttelte den Kopf, versuchte, dieses schreckliche Bild zu verscheuchen. Mit dem Ärmel wischte sie Staub und Spinnweben von der schmalen Fensterscheibe und spähte hinein, aber drinnen war es dunkel, und sie konnte nichts erkennen. Esgab eine kleine Hintertür, aber auch die war verschlossen. Die Farbe blätterte bereits ab, doch das Holz war solide, sie hätte wohl kaum die Kraft, die Tür aufzubrechen. Sie lehnte sich mit der Schulter dagegen und drückte. Nichts tat sich. Sie schlug gegen die Tür, legte dann ihr Ohr daran und lauschte. Es war nichts zu hören. Sie gab auf.
    James hielt am Fenster nach ihr Ausschau. Als sie auf das Haus zukam, fiel der Vorhang wieder zurück, aber sie hatte sein weißes Gesicht gesehen, gegen die Scheibe gepresst, und die Tür wurde aufgerissen, noch bevor sie klopfte.
    «Sie ist nicht da, oder? Ich sehe ja, dass alles zugesperrt ist da drüben.»
    «Hat sie ein Handy?»
    Sie sah, wie Panik über sein Gesicht flackerte. «Wie Christopher? Glauben Sie, es gibt da eine Verbindung?»
    «Nein», sagte sie. «Nicht wie Christopher. Sie könnten sie anrufen. Herausbekommen, wo sie ist.»
    Er lachte

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