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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Hosen trug. Sie sehnte sich danach, Luft an die Haut zu lassen, aber jetzt konnte sie da nicht allzu viel tun. Es schickte sich kaum, wenn eine Kommissarin, die die Ermittlungen leitete, mitten im Getümmel an einem Verbrechensschauplatz die Hosen herunterließ. Was würden die Gerichtsmedizinerin, die Leute von der Spurensicherung in ihren weißen Schutzanzügen und die örtlichen Polizisten von so etwas halten?
Wenn
sie denn überhaupt die Ermittlungen leitete, was noch bestätigt werden musste.
    Ihr Arzt hatte gesagt, Stress wirke sich verschlechternd auf ihre Haut aus, aber was sie jetzt empfand, war kein Stress. Es war Hochstimmung und Schuld. Polizisten, die abstritten, dass ein Mord sie erregte, glaubte sie nicht. Wer wurde nicht unweigerlich angezogen von dem Drama, den Kostümen und der Show? Warum sonst waren sie in den Dienst eingetreten? Für die Angehörigen war es natürlich etwas anderes, und genau da kam die Schuld ins Spiel. Sie trug eine Verantwortung. Sie war die Sache langsam angegangen, hatte überall herumgestöbert, wie die imaginären Geschöpfe unter ihrer Haut, hatte sich bedächtig durch die komplexe Situation getastet, Feindseligkeitenund Lügen erspürt. Es bereitete ihr Kopfzerbrechen, ob der zweite Todesfall sich vielleicht nicht ereignet hätte, wenn sie einen gängigeren Ermittlungsansatz gewählt hätte.
    Ach, Herzchen, du würdest doch immer noch im Dunkeln tappen. Wenn du sie alle aufs Revier bestellt hättest und ihre alten Aussagen Wort für Wort mit ihnen durchgegangen wärst, wärst du kein Stück schlauer als bei deiner Ankunft. Auf deine Weise verstehst du die Leute wenigstens. Du hast ein Gefühl dafür bekommen, was los war.
    An Selbstvertrauen hatte es ihr nie gemangelt, und für gewöhnlich sah sie keinen Grund zur Reue.
    Man hatte Scheinwerfer aufgestellt und ein Zelt über den Graben gespannt. Das Rumpeln eines Generators war zu hören, Allradfahrzeuge, die am Ende der schmalen Zufahrt zurücksetzten, und ernste Gespräche. Sie fand, dass sie hier jetzt nichts erreichen konnte. Bisher hatte sie mit einem örtlichen Detective Inspector namens Paul Holness zusammengearbeitet. Er war mittleren Alters, heiter und unverblümt, und erst nach dem Mord an Abigail aus Lancashire zur hiesigen Einheit gekommen. Ehrgeizig auf dem Papier, war er im wirklichen Leben träge und stellte wohl kaum eine Bedrohung für sie dar. Völlig ausgeschlossen, dass er die Ermittlungen leiten wollte. Zu viel Verantwortung. Zu viel Dreck, in dem man wühlen musste. Er stand gerade im Torbogen zur Alten Kapelle und sprach mit der Gerichtsmedizinerin. Sie machte sich zu den beiden auf.
    «Definitiv Mord», sagte Holness. «Wenn er auf dem Rücken liegt, kann man es nicht sehen, aber ihm wurde der Schädel eingeschlagen.»
    «Irgendeine Spur von der Mordwaffe?»
    «Noch nicht, aber sie konnten auch noch nicht richtig suchen. Wir leiten das in die Wege.» Er stampfte mit den Füßen auf den Boden und schlang sich die Arme um dieBrust. Obwohl er Handschuhe aus Schafswolle trug, schien er zu frieren. Wie verweichlicht die Leute hier in Yorkshire sind, dachte Vera. «Was hat die Mutter überhaupt hier draußen gemacht?», fragte er. «Hat jemand was dazu gesagt?»
    «Ihrem Mann zufolge war ihr kalt, und sie wollte sich eine Jacke aus dem Auto holen.» Aus Mary hatte sie nichts Brauchbares herausbekommen. «Schon eine Ahnung vom Todeszeitpunkt? Ich meine, könnte er schon stundenlang hier gelegen haben, und es hat ihn nur keiner gesehen auf dem Weg zur Kapelle?»
    Holness schüttelte den Kopf. «Sie kennen die Gerichtsmediziner. Legen sich nicht gern fest. Aber die Kollegin sagt, dass das sehr unwahrscheinlich ist. Sie glaubt, dass er noch keine Stunde tot war, als Mrs   Winter ihn gefunden hat.»
    «Können Sie hier übernehmen?», fragte Vera. «Ich würde gern mit den Zeugen reden, bevor sie Zeit haben, ihre Aussagen auszuschmücken. Sie wissen ja, wie das ist. Alle wollen eine schlüssige Geschichte und füllen die Lücken einfach auf, ohne zu merken, was sie da anrichten.» Mit einer gewissen Genugtuung sah sie, dass sie ihn abgehängt hatte. «Ich bin in Springhead House, wenn mich jemand braucht.» Keine schlechte Methode, dem Ganzen ihren Stempel aufzudrücken, dachte sie. Einfach sicherstellen, dass jeder mitbekam, dass sie diesen Todesfall als Teil des Mantel-Falls betrachtete. Dass sie noch dafür zuständig war.
    Sie hatte sich darum gekümmert, dass jemand die Winters nach Hause fuhr. Die Frau

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