Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opfertod

Opfertod

Titel: Opfertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
Vom Netzwerk:
Ausschau. Wo steckte sie bloß? Er kratzte sich nervös am Nacken, schnappte sich eine der auf dem Tisch liegenden Pressemappen zu Jeffrey Maloneys neuem Film und schlenderte suchend durch die Menge, als er sie schließlich bei den vorderen Stuhlreihen entdeckte. An diesem Nachmittag hatte sie die Haare hochgesteckt, trug Perlenohrringe und eine weiße Bluse, die ihr etwas Unschuldiges verliehen hätte, wäre sie nicht so weit aufgeknöpft gewesen. Dazu einen knielangen Nadelstreifenrock und hohe Pumps, als hätte sie Angst, auf Grund ihrer geringen Körpergröße übersehen zu werden. Und als hätte es das Schicksal so gewollt, war der Platz neben ihr noch frei. Artifex strich sich das blondgewellte Haar zurück, straffte sich und schritt zielstrebig auf sie zu, ehe ein anderer den Platz besetzen konnte.
    »Ist hier noch frei?«, fragte er mit seinem charmantesten Lächeln.
    Die Reporterin sah auf. »Sicher«, sagte sie, ehe sie sich abermals aufgeregt nach ihrem Kinohelden umschaute, der nun jeden Moment auftauchen musste. Nachdem sich alle gesetzt hatten und die Türen zum Saal geschlossen worden waren, trat Jeffrey Maloney in Erscheinung und nahm mit seiner Entourage an Pressefrauen, Managern sowie dem Regisseur des Films auf dem Podest Platz, hinter dem ein überdimensionales Poster des neuen Blockbusters hing. Dieser Maloney, dessen Nase so platt war wie seine Rollen, sah nicht halb so gut aus wie auf der Leinwand, dachte Artifex spöttisch. Doch auf die kleine Reporterin schien er mächtig Eindruck zu machen. Artifex schielte unauffällig auf ihre Lippen, die sich immer weiter öffneten, je länger sie den Amerikaner anstarrte. Gott, sie sind perfekt! Er konnte sein Glück noch immer kaum fassen. Seine Augen huschten über den eingeschweißten Akkreditierungsnachweis, der gut sichtbar an der Bluse der Reporterin steckte. Svenja Stollberg, Redaktion Star Biz , las Artifex. Ein hübscher Name. Tilla würde ihn sicher mögen.
    Er zwang sich, wieder nach vorne zu schauen.
    Was folgte, waren die üblichen Standardfragen seitens der Presse, wobei Maloney kritische Fragen – wenn überhaupt – nur nach Rücksprache mit seinem Management beantwortete. Dabei wurde jedes Wort, jede noch so kleine Geste Maloneys von den eifrigen Schreiberlingen protokolliert. Auch Artifex zückte pro forma einen Notizblock und hob seine Hand, um Maloney eine Frage zu stellen. Als er schließlich an der Reihe war, lehnte sich Artifex gemächlich im Stuhl zurück, rieb seine Fingerspitzen aneinander und musterte eine Sekunde lang den glattrasierten Mann mit dem cremefarbenen Hemd und der kitschigen Goldkette, ehe er ihn auf Englisch fragte, ob er denn bloß vor der Kamera schauspielere oder ob er auch im echten Leben hin und wieder ein Schauspieler sei. Wie erwartet hatte Maloney die Ironie in seiner Frage nicht verstanden und gab nichts als Gefasel zur Antwort. Doch das kümmerte Artifex nicht, er hatte mit seiner Wortmeldung lediglich Eindruck bei der kleinen Reporterin schinden wollen, die selber vor Aufregung kein Wort herausbrachte.
    Und tatsächlich schenkte sie Artifex ein flüchtiges Lächeln, bevor ihre Aufmerksamkeit wieder Mister Superstar galt.
    »So ein Mist«, stöhnte Artifex, während er mit einer Hand in die Innentasche seines Jacketts langte, »sieht ganz so aus, als hätte ich meinen Kugelschreiber in der Redaktion liegenlassen …«
    »Hier, ich habe noch einen«, flüsterte ihm Svenja Stollberg zu und reichte ihm einen Stift aus ihrer Handtasche. Ein kurzer Blick auf die in ihrer Handtasche befindliche Parkhauskarte verriet Artifex, dass Svenja Stollberg mit dem Wagen da war. »Danke – Sie sind meine Rettung«, gab er zurück und nahm den Stift mit einem Augenzwinkern entgegen.
    Sie hatte den Köder geschluckt …

21
    Im Anschluss an die Pressekonferenz verließ Svenja Stollberg eilends den Saal, um ihre Eindrücke zum ›großen Maloney‹ noch vor Redaktionsschluss abzutippen. Husch, husch, zurück ins Körbchen …, dachte Artifex, während er der kleinen Reporterin mit einem Grinsen durch das Foyer folgte. Im Schutz der Menschenmenge überquerte er dicht hinter ihr die Straße vor dem Hotel, während die junge Frau mit ihrem Handy am Ohr auf das Parkhaus zulief und nicht umhinkam, der Außenwelt in aufgebrachtem Schnatterton das soeben Erlebte mitzuteilen. Und so bemerkte sie auch nicht, dass ihr Artifex in das Parkhaus, fernab des Trubels, hinterhereilte. Er nahm seine alte Kappe hervor und zog sie sich

Weitere Kostenlose Bücher