Opfertod
Sie mich unbedingt dabeihaben, und nun werfen Sie mich tatsächlich raus?«
Der Leiter der Mordkommission ließ sie stehen und nahm wortlos hinter seinem Schreibtisch Platz, als sei das Thema damit für ihn beendet.
Sie können mich mal, Drescher! »Bitte, ganz wie Sie wollen, bin schon weg.« Mit Tränen der Wut in den Augen hastete Lena mit weichen Knien zurück in ihr Büro und packte in Windeseile ihre Sachen. Als sie mit dem Karton in der Hand an seinem Büro vorbeilief, saß Drescher noch immer bei offener Tür hinter seinem Schreibtisch und würdigte sie keines Blicks mehr. Und während Lena an den unbesetzten Büros vorbei auf den Ausgang zusteuerte, hatte sie schon jetzt das Gerede der anderen Polizisten im Ohr, die nur darauf gewartet hatten, dass sie scheiterte.
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Zur selben Zeit ganz in der Nähe
Am Potsdamer Platz war viel los. Schwarze Limousinen parkten vor dem Hintereingang des Kinos, und rund um den roten Teppich drängten sich zwischen Kamerateams, Paparazzi und Journalisten aus der ganzen Republik aufgeregte Fans, die zu kreischen anfingen, sobald Jeffrey Maloney und der Rest der Filmcrew in Erscheinung traten.
Artifex beobachtete das Geschehen aus einiger Entfernung. Das Gute bei Veranstaltungen wie dieser Filmpremiere war, dass niemand einen Nobody fernab der Menschenmenge beachtete. In seiner Bluejeans und seinem sportlichen Jackett hielt man ihn womöglich für einen Journalisten oder einen Autogrammjäger. Keinesfalls aber für einen Menschenjäger.
Noch hatte er die kleine Reporterin nicht entdeckt, war sich aber ziemlich sicher, dass sie sich die eigens für die Stars und die Vertreter der Presse organisierte Kinovorstellung keinesfalls entgehen lassen würde. Und so wartete er geduldig in der Presselounge vor dem Kinosaal. Tatsächlich sollte sich das Warten lohnen. Als er Svenja Stollberg zwei Stunden später sichtlich begeistert aus der Vorstellung kommen sah, schob Artifex sich seelenruhig ein weiteres Lachs-Häppchen in den Mund, ohne die Reporterin auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Die junge Reporterin hatte sich anlässlich der Filmpremiere noch einmal umgezogen, ja regelrecht in Schale geworfen. Der Rock war deutlich kürzer als der, den sie bei der Pressekonferenz am Nachmittag getragen hatte. Dazu trug sie eine tief dekolletierte Chiffonbluse und hatte die zuvor hochgesteckten Haare in eine wilde Mähne verwandelt. Dieses Mal war sie allein, ohne den überflüssigen Pressefotografen, der ihm erneut die Tour vermasseln könnte. Als er sah, dass sie sich dem Ausgang näherte, schnitt er ihr mit seinem Handy am Ohr den Weg ab. »Ja, verstehe … Natürlich komme ich – eine Privatparty mit Jeffrey Maloney lasse ich mir doch nicht entgehen«, sprach er in sein ausgeschaltetes Mobiltelefon, gerade so laut, dass die Reporterin es in jedem Fall mitbekommen musste. Prompt blieb Stollberg stehen und drehte sich mit einem aufreizenden Augenaufschlag zu ihm um.
»Sieh an, der Mann ohne Kugelschreiber«, sagte sie und lächelte.
»Nicht mehr, jetzt habe ich ja Ihren«, meinte er grinsend.
Svenja Stollbergs gekünsteltes Lächeln wurde breiter. »Sie gehen also auf Maloneys Privatparty?«
»Na sicher.«
»Die findet hier im Hotel statt, in einer der Suiten, habe ich recht?«
Er musste schmunzeln. Sie hatte angebissen.
25
»Hier?« Artifex lachte verächtlich. Er machte einen Schritt auf sie zu, bis er nur noch weniger als einen halben Meter von ihr entfernt stand und ihr hinter vorgehaltener Hand zuflüsterte: »Zumindest ist das die offizielle Version. Sie wissen schon, wegen der Paparazzi und so.« Mit einem Grinsen auf dem Gesicht verließ er im Laufschritt das Kino, wohl wissend, dass ihm die kleine Reporterin folgen würde.
»Und inoffiziell?«, fragte sie interessiert nach und kam ihm eilends hinterher.
Artifex blieb kurz stehen. »Bitte verzeihen Sie, aber ich weiß wirklich nicht, ob ich befugt bin, Ihnen das zu verraten«, seufzte er und lief weiter die Straße hinunter. Er hörte das Klackern ihrer Absätze.
»Nun warten Sie doch mal!«, rief sie ihm nach und holte ihn abermals ein. Die Neugier stand ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben.
»Hören Sie« – aufgebracht stellte sie sich vor ihn und hob wie zum Schwur eine Hand –, »wenn Sie mich mit auf diese Party nehmen, verspreche ich hoch und heilig, kein Wort darüber zu veröffentlichen – ich bin ein riesengroßer Fan von Jeffrey Maloney, und so eine Chance will ich mir nicht entgehen
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