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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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weg.

    Keiner sah ihn mehr.

    Und - dachte sie und raffte sich auf - der dritte der heiligen Reiter von Siffin war tot. Der Anführer. Derjenige vermutlich, der die Polizei in Älvsjö angerufen und sich zu der Tat bekannt hatte. Und der einen Akzent gehabt hatte, der eben nicht arabisch war - wie der Professor für Phonologie, Kurt Ehnberg, so hartnäckig behauptet hatte -, sondern persisch. Deshalb war Ehnberg nicht darauf gekommen, um welchen arabischen Dialekt es sich handelte. Es war eine völlig andere Sprache - aus einer ganz anderen Sprachfamilie.

    Kurt Ehnberg hatte wohl das letzte Mal als Sprachexperte der Polizei gedient.

    Vor einem guten Monat war Jamshid Talaqani, arbeitslos, zweiundzwanzigjährig und in Värberg wohnhaft, im Iran, dem Land seiner Väter, umhergereist. Plötzlich hatte er, der früher auf alles Amerikanische fixiert gewesen war, besonders auf die Hip-Hop-Kultur, Interesse für seine Wurzeln entdeckt und war aufgebrochen. Nach seiner Rückkehr hatte er seine Kumpel aus der Jugendzeit, Mehran Bakhtavar, Siamak Dulabi, Arman Mazlum und Kurush Mahdavi wieder zusammengebracht und mit ihnen über den Dschihad und den Propheten und die Freuden der heiligen Pflicht gesprochen. Sie hatten ziemlich gleichgültig reagiert, ziemlich schwedisch, aber seine Hartnäckigkeit und sein Eifer hatten dazu geführt, dass einer nach dem anderen begann, sich für diese Ideen zu interessieren. Nur einer war abgesprungen: Kurush Mahdavi, eher bekannt als Kräkan. Er hatte nicht mitgemacht, als sich die heiligen Reiter von Siffin formierten. Und er war nicht dabei gewesen, als die Bombe platziert wurde.

    Aber wenn es nun die heiligen Reiter von Siffin gewesen waren, die die Bombe platziert hatten - wer von ihnen war dann der Selbstmordattentäter?

    Drei von ihnen waren zwar tot, aber nicht wegen einer Selbstmordbombe. Allem Anschein nach waren sie von ein und demselben Mann ermordet worden, einem Mann in einem roten Volkswagen Golf mit einem Kennzeichen, das mit SK begann.

    Sie hatten ihn gesehen. Kerstin Holm, Paul Hjelm und Jorge Chavez hatten den Mörder tatsächlich gesehen, hatten sein Gesicht erkennen können. Offiziell jedoch nur Holm und Chavez. Und Holm hatte auch die ersten Buchstaben auf dem Kennzeichen lesen können.

    Die Fahndung nach dem Auto war bereits im Gang - so etwas machte die Stockholmer Polizei mit Bravour, das musste man zugeben, und Kräkan stand Tag und Nacht unter Polizeischutz. Wer fehlte, war, mit Kräkans Worten, ein »nice guy« mit Namen Arman Mazlum.

    Es gab drei Möglichkeiten, was diesen Arman Mazlum betraf. Erstens: Er war auf der Flucht vor dem Schicksal, das seine Kameraden ereilt hatte; zweitens: er war schuldig an ihrem Tod; oder er war der Selbstmordattentäter.

    Möglichkeit drei war durchaus denkbar. Arman Mazlum führte den Angaben zufolge das Leben einer ziemlich einsamen U-Bahn-Aufsicht, einsamer Job, einsame Freizeit. Es gab keinen lebenden Menschen, der bestätigen konnte, nach dem Bombenattentat Kontakt mit Arman gehabt zu haben. Es war durchaus möglich, dass die Konstellation versprengter Atome und Moleküle, die in den offiziellen Dokumenten unter der Bezeichnung »Person 3 (evtl. Selbstmordattentäter)« rangierte, schlicht und einfach Arman Mazlum war. Und es war durchaus denkbar, dass er sich in seiner Eigenschaft als SL-Angestellter, mit seiner Connex-Jacke, Zugang zu dem Wagen verschafft hatte, der von drei Frauen mit den Zweitnamen Pippi Langstrumpfs blockiert worden war, und sich zu den sexgeilen Männern gesetzt hatte. Jemanden in einer solchen Jacke nicht hereinzulassen, wäre für die Mädchen schwierig gewesen.

    Aber trotzdem ...

    Kerstin Holm raffte sich auf und wählte eine Telefonnummer.

    »Ja, Gunnar«, antwortete es aus dem Hörer.

    »Kerstin«, sagte Kerstin. »Wo bist du?«

    »Ich fahre gerade über die Vätöbro«, sagte Gunnar Nyberg. »Der Vätösund schimmert wunderbar in der Spätsommersonne.«

    »Ausgezeichnet.«

    »Aber du weißt, wie es mit mir und den Brücken ist«, fügte Nyberg hinzu. »Ich habe da immer eine Vorahnung vom Tod.«

    »Du bist doch sonst nicht abergläubisch«, stellte Kerstin Holm fest, und fragte dann: »Es ist also nicht mehr weit?«

    »Maximal zehn Minuten. Ist dir etwas Besonderes eingefallen, Kerstin?«

    »Bist du wirklich allein losgefahren, trotz ausdrücklicher Anordnung?«

    Der Telefonhörer gab eine Weile seltsam knarrende Geräusche von sich, dann sagte eine Stimme, die deutlich heller

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