Opferzahl: Kriminalroman
steilen Bildwinkel, der die Gesichter ein wenig verzerrt aussehen ließ, etwas in die Länge gezogen.
Eine Warteschlange gab es an Kasse 3 nicht. Ein älterer Mann war gerade dabei, einen Wasserkocher zu bezahlen, und debattierte lautlos mit der Kassiererin über die Qualität des Kabels. Die Kassiererin, eine junge Frau zwischen zwanzig und dreißig mit zahllosen Piercings, warf dem alten Mann um 17.11.04 Uhr irgendetwas Bissiges an den Kopf, woraufhin er ihr mit der Faust drohte und beleidigt abzog. Dann tat sich eine Weile nichts. Die Kassiererin justierte einen Ring in ihrer Wange, der offenbar Probleme machte, und leckte sich dann den Finger ab.
»Igitt«, kam es spontan von Jon Anderson.
Chavez warf ihm einen hartgesottenen Blick zu und sagte:
»Zart besaitet?«
Zu mehr war keine Zeit. Um 17.11.47 Uhr tauchte eine Gestalt im Bild auf. Sie legte ein Handy auf den Ladentisch neben die Kasse. Chavez hielt das Bild mit der Maus an.
Sie betrachteten die Gestalt. Sie trug eine grüngelbgestreifte Kapuzenjacke und hatte die Kapuze über den Kopf gezogen.
»Scheiße«, sagte Chavez. »Man sieht nichts.«
»Wie wir es geahnt haben«, sagte Anderson. »Aber der Kapuzenpulli ist originell.«
Chavez ließ den Film weiterlaufen. Der Mann, denn es war eindeutig ein Mann, zog eine Brieftasche hervor und blätterte ein Bündel Fünfhunderterscheine durch, das mindestens einen halben Zentimeter dick zu sein schien. Er nahm sechs davon heraus und reichte sie der Kassiererin, die sie der Reihe nach träge gegen das Licht hielt. Schließlich tippte sie den Betrag ein und gab ihm eine Quittung und etwas Wechselgeld zurück. Dann legte sie das Handy in einen Plastikbeutel und reichte ihn arrogant über den Tisch. Der Mann mit der Kapuzenjacke drehte das Gesicht für einen kurzen Moment zur Kamera. Aber die Kapuze war so tief ins Gesicht gezogen, dass sein Gesicht nur als Schatten zu sehen war. Dann verschwand er aus dem Bild und in die Freiheit.
»Ohne eine Spur zu hinterlassen«, wie Chavez es ausdrückte.
»Lass mal ein Stück zurücklaufen«, sagte Jon Anderson.
»Du willst doch nicht etwa sagen, ich hätte ein Detail übersehen? So was nervt.«
»Es war kein Detail. Es füllte das ganze Bild aus.«
Chavez seufzte und ließ den Film zu dem Punkt zurücklaufen, an dem sie gerade gewesen waren. »Da!«, rief Jon Anderson, wobei er dem Kollegen in den Arm kniff, sodass das ganze Bild vom Monitorschirm rutschte. Als Chavez es geduldig mit der Maus zurückholte, bewegte es sich jedoch nicht mehr.
»Was soll denn das jetzt?«, knurrte er.
»Hol es ein bisschen näher ran, weiter unten, auf seiner Brust.«
»Weiter unten auf der Brust?«
»Ungefähr bei der linken Brustwarze.«
Chavez tat, wie ihm gesagt wurde. Der Zwischenraum zwischen den Streifen des grüngelben Pullis wurde größer und größer. Schließlich wurde ein kleiner Fleck sichtbar. Und allmählich bekam der kleine dunkle Fleck Konturen.
Und wurde zu einem Mini-Elch.
»Aha«, sagte Anderson. »Hab ich mir doch gedacht.«
»Ein Elch?«, sagte Chavez. »Hör mir auf.«
»Dieser Pulli kam mir doch bekannt vor. Er ist von Abercrombie and Fitch.«
»Und die haben einen Elch auf ihren Sachen?«
»Ja, das ist ihr Logo. Das kleine Emblem auf dem Pulli. Es ist eine etwas ausgefallene Marke, in gewissen Kreisen populär, wenn auch nicht direkt exklusiv. Ich weiß nicht, ob es sie in Schweden gibt, aber in New York gibt es sie.«
»The American Connection«, sagte Chavez mit einer Art von instinktiver Skepsis.
»Es ist eine Erinnerung, ziemlich vage«, sagte Anderson, ohne sich um Chavez zu kümmern. Er begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.
»Gewisse Kreise?«, fragte Chavez vielsagend.
»Ja, du vermutest richtig. Es ist ein populäres Gay-Label. Und von daher kenne ich es. Plötzlich tauchte eine Ladung davon auf, die im Handumdrehen ausverkauft war. Ich hatte den Verdacht, dass sie gestohlen war, und verzichtete schweren Herzens darauf, etwas zu kaufen. Es gab da eine Homepage im Netz, erinnere ich mich, und dann fand ein Ausverkauf statt. Dieser Kapuzenpulli war auch auf der Homepage.«
»Bist du ganz sicher? Mir kommt das ein bisschen vage vor.«
»Ja, ich bin mehr und mehr sicher. Denn als ich zu dem Ausverkauf im Freihafen kam - ich begleitete einen zufälligen Bekannten -, gab es schon keine Pullis mehr. Obwohl wir zu den Allerersten gehörten.«
»Und was bedeutet das?«
»Dass vorher ein VIP-Verkauf
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