Opferzahl: Kriminalroman
der Tatsache konfrontiert, dass sein hartnäckiges Bieten sie fast eine halbe Million gekostet hatte. Schließlich hatte sie ihn seit über einem halben Jahr nicht getroffen. Anfänglich war er mitgegangen ins Krankenhaus, um Bengt Äkesson zu besuchen, aber als sie ihre unfreiwillige arbeitsfreie Zeit antrat, verschwand Paul Hjelm aus ihrem Leben.
Erst in diesem Augenblick, im Maklerbüro vor zwei Monaten, kam er zurück. Und zwar mit Macht.
Natürlich wusste sie, dass er aus seiner verwohnten Einzimmerwohnung in der Slipgata im eigentlichen Kniv-Söder herausmusste, aber die Heleneborgsgata konnte mit etwas gutem Willen zum gleichen Stadtteil gezählt werden. Der Mann hatte sich offenbar in die Gegend verliebt. Er brauchte nur etwas mehr Platz für seine Junggesellenaktivitäten.
Warum dachte sie so?, fragte sie sich, als sie jetzt neben Gunnar Nyberg stand und auf einen Mann und eine Frau auf einer Parkbank in ebendiesem Viertel um Flornstull blickte, genauer gesagt im Högalidspark, in der Spätsommersonne zwischen den Schatten, die die mächtige Högalidskirche warf.
Nyberg, der mit seiner gewohnten Sensibilität anscheinend ihre geistige Abwesenheit bemerkt hatte, gab ihr einen leichten Knuff und sagte:
»Sie heißen also Emil Strömberg und Jenna Svensson?«
Der Junge auf der Parkbank war um die zwanzig und trug eine vollständige Hip-Hop-Ausstattung sowie einen rasierten Schädel. Das Mädchen war ebenfalls unverkennbar hiphoppig, mit strubbeligen schwarzen Haaren, und ihre schlabberigen Jeans entblößten einen atemberaubenden Briefkasten. Gunnar Nyberg hatte gelernt, dass es so heißt, wenn die Arschspalte deutlich oberhalb des Hosensaums herausschaut. Sie blinzelten von der überraschend grellen Sonne geblendet, zu ihnen hoch, und der Junge sagte:
»Jepp. Und ihr seid Bullen.«
»Das ist korrekt«, sagte Gunnar Nyberg. »Und du befandst dich heute Nacht um 0.45 Uhr ganz vorn im Wagen Carl Jonas der U-Bahn-Linie neunzehn, als er explodierte.«
»Das ist auch korrekt«, sagte Emil Strömberg schleppend. »Und wir haben unsere Story schon drei verschiedenen Polizisten erzählt. Was ist eigentlich mit der Organisation der Polizei los?«
»Die Frage können nicht einmal wir beantworten«, sagte Gunnar. »Aber wir möchten deine Erzählung gern noch einmal hören.«
»Wir sind in Alvik eingestiegen, weil wir da auf einer Party waren. Wir hatten uns die letzte U-Bahn ausgeguckt, um hierher nach Hause zu fahren und abzuhängen. Die rote Linie geht ja etwas später, also sollten wir es schaffen, am Slussen umzusteigen. Wenn wir richtig gerechnet hatten.«
»Woher kamt ihr?«, fragte Kerstin Holm ein wenig vage.
»Das hab ich doch gesagt. Von einer Party in Traneberg.«
»Ich habe gemeint: von welcher Seite in Richtung des Zugs? Von hinten oder von vorn?«
»Jetzt kapier ich nicht, was du meinst.«
Das tat jedoch offensichtlich Jenny Svensson mit dem Briefkasten. Sie sagte:
»Wir sind von vorn gekommen und so weit nach hinten gegangen, wie es in Alvik möglich ist. Wir wollten hinten im Zug sitzen, dachten wir. Denn am Hornstull nehmen wir den hinteren Ausgang, das ist am nächsten. Aber als wir im Zug saßen, fiel uns ein, dass der hintere Ausgang nachts wahrscheinlich geschlossen ist.«
»Danke«, sagte Kerstin Holm überrascht. »Also hattet ihr mit dem hinteren Teil des Wagens eigentlich keinen Kontakt?«
»Nein. Wir haben nicht mal in die Richtung geguckt. Haben uns gleich links hingesetzt. Mit dem Rücken nach hinten.«
»Ihr seid also drei Stationen gefahren, bevor es knallte?«
»Kristineberg, Thorildsplan, Fridhemsplan, ja.«
»Und dann kam die Vollbremsung, und überall flog Glas herum. Das haben wir doch schon erzählt«, sagte der bedeutend mürrischere Emil Strömberg.
»Ist es so schwer zu begreifen, dass wir es noch mal hören wollen?«, fragte Gunnar Nyberg und baute sich vor Emil Strömberg auf.
»Nein«, antwortete der kleinlaut.
»Was passierte dann?«
»Wir fielen alle durcheinander. Glas prasselte auf unsere Jacken, aber wir kamen ohne Schäden davon.«
»Ich habe ein blaues Knie und einen blauen Ellenbogen«, sagte Jenna Svensson. »Das ist alles.«
»Aber man hat ja so einiges gesehen«, sagte Emil Strömberg. »Das wird nicht so schnell heilen.«
»Und was habt ihr gesehen?«
»Also, es dauerte etwas, bis wir wieder hochkamen«, sagte Jenna. »Zuerst guckten wir bei uns beiden, ob wir verletzt waren, sozusagen, man konnte schwer
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