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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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von Radiohead stieß er dann auf eine frühere Platte, die er schließlich für eine der besten Scheiben hielt, die je produziert worden sind. Sie hieß OK Computer, und von dieser stammte das Stück, das Thom Yorke eben gewimmert hatte, das Stück »Karma Police«.

    Nach einem sehr schönen Piano- und Gitarren-Intro fallen Bass und Trommeln ein - und Thom Yorke:

    Karma police, arrest this man, he talks in maths,

    he huzzes like a fridge, he's like a detuned radio.

    Karma-Polizist, dachte Paul Hjelm. Bin ich das?

    Im Buddhismus und auch im Hinduismus bezeichnet »Karma« nicht nur die Summe der Handlungen eines Menschen, sondern auch ihr Resultat. Oft ist es negativ - alles, wovon sich die Seele reinigen muss, um, im Buddhismus, das Nirvana, das Erlöschen, zu erreichen, oder, im Hinduismus, zu Gott zu gelangen.

    Aber die Summe der Handlungen entscheidet auch darüber, als was man wiedergeboren wird.

    Er stellte die Musik wieder an und ließ sich von ihr durchströmen. Unterdessen wurde die Tür geöffnet, und Arvid Lagerberg trat in Gesellschaft eines grimmigen Gefängniswärters ein. Widerwillig zog sich Paul Hjelm die Hörstöpsel aus den Ohren und stellte verstohlen den MP3-Player ab. Es fiel ihm schwer, in die Wirklichkeit zurückzukehren.

    Aber der Wärter half ihm.

    »Zum Teufel, du kommst mit einem Computer hierher?«

    Paul Hjelms einzige Antwort war ein finsterer Blick.

    Über Arvid schwebte so etwas wie eine Wolke. Eine Wolke gesammelter Handlungen. Für einen kurzen Augenblick hatte Hjelm die Vorstellung, er sehe das Karma des alten Mannes.

    »Ist es so«, sagte er, als der Wärter sie widerwillig verlassen hatte, »dass Sie Mathematik reden, Arvid? Dass Sie brummen wie ein Kühlschrank und wie ein schlecht eingestelltes Radio rauschen?«

    Arvid Lagerberg zupfte an seinem gelbweißen Bart und betrachtete ihn scharf.

    Ja, scharf. In gewisser Weise.

    »Deine Wolke ist immer noch weg«, sagte Arvid Lagerberg bewundernd.

    »Die Wolke, von der Sie sprechen, heißt Karma«, sagte Paul Hjelm. »Das ist die Summe unserer Taten im Leben.«

    »Ich weiß«, Arvid nickte ernst.

    »Ihre ist dunkel, Arvid, das wissen Sie, oder?«

    »Natürlich weiß ich das.«

    »Wollen Sie darüber reden?«

    »Ich habe es versucht. Aber Sie wollten nichts sagen.«

    »Ich wollte nichts sagen?«, wiederholte Paul Hjelm. »Wie Sie es geschafft haben, Ihre Wolke verschwinden zu lassen.«

    »Was erzählen Sie mir, wenn ich es erzähle?«

    »Was Sie wissen wollen.«

    »Sie wissen also, was ich wissen will?«

    »Ja, klar.«

    »Aber Sie halten damit hinterm Berg, weil Sie herausfinden wollen, wie man seine dunkle Wolke los wird?«

    Arvid Lagerberg schwieg und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.

    »Wenn ich den Spieß nun einfach umdrehe«, sagte Hjelm, »und sage: Wenn Sie mir erzählen, was ich wissen will, dann erzähle ich Ihnen, wie ich meine schwarze Wolke losgeworden bin.«

    Der alte Mann schloss die Augen. Hjelm betrachtete ihn. War dies ein entscheidender Moment? Jedenfalls wollte er es glauben. Plötzlich war diese ungewöhnliche Klarheit da, und es galt, so viel wie möglich daraus zu machen. Die Frage war, ob das gelang.

    »Nein«, sagte Arvid. »Sie zuerst.«

    Paul Hjelm nickte. Das kam nicht ganz unerwartet. Das Problem war, dass der alte Mann jederzeit umschlagen und ins Land der Farne zurückkehren konnte. Er entschloss sich, alles auf eine Karte zu setzen.

    »Musik«, sagte er, und in ihm sang es:

    This is what you get, this is what you get,

    this is what you get, when you mess with us.

    Arvid Lagerberg sah ihn skeptisch an. Schließlich fragte er:

    »Wieso Musik?«

    »Die Musik als reinigende Kraft«, sagte Paul Hjelm. »Das ist das Einzige, was mir dazu einfällt. Hören Sie Musik?«

    »Früher ja«, sagte Lagerberg. »Ich habe damit aufgehört.«

    »Ging die Wolke nicht davon weg? Hörte es nicht auf, wehzutun?«

    »Ich habe damals aufgehört.«

    »Damals?«

    »Ja, damals.«

    »Nach dem Kongo?«, riet Paul Hjelm ins Blaue hinein. Arvid schwieg. Das Kinn sank ihm auf die Brust, als sei er eingeschlafen. Die Augen waren geschlossen. In Paul Hjelm sang es:

    Karma police, I've given all I can, it's not enough,

    I've given all I can, but we're still on the payroll.

    Ohne seine Haltung zu verändern, sagte Arvid Lagerberg von unten aus der Brust heraus:

    »Ja. Ich konnte danach keine Musik mehr hören. Sie gab mir nichts.«

    »Das kommt vielleicht wieder. Sie sind alt genug, um

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