Opferzahl: Kriminalroman
positiven Wirkungen der Drogen. Der Jonte, von dem Findus oder seine Kollegen im Riehe oder - vor allem - seine frühere Freundin erzählt hatten, war ein widerlicher Kerl mit einem riesengroßen Bedürfnis nach Selbstbehauptung gewesen. Dieser hier war ein harmloses und ziemlich munteres Kerlchen, das jedes Prestige verloren hatte.
Das war sehr viel angenehmer.
Bis man ihn tot in der letzten öffentlichen Gratistoilette der Stadt finden würde.
Sie kauften Würstchen bei dem alten Wurstverkäufer. Die bleichen Brühwürstchen hatten tatsächlich lange Zipfel an den Enden.
»Mann, die schmecken«, sagte Jonte. »Ich habe in der zweiten Liga gespielt, hab ich das erzählt? Jahrelang, in der A-Mannschaft von Bromma. Kurz vor einem Profivertrag bei AIK. Aber dann ist das Kreuzband gerissen.«
»Erzähl jetzt«, sagte Jon Anderson und musste zugeben, dass das Würstchen richtig gut schmeckte.
»Was sollte ich erzählen?«, fragte Jonte gutmütig.
»Wer dir dein neues Handy geklaut hat.«
»Scheiße, ja, das war wahrscheinlich diese Bande aus Rägsved. Coole Typen. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als es herauszurücken und zu hoffen, dass man nicht genug wert ist, um getötet zu werden.«
»Hast du sie erkannt?«
»Nicht direkt. Aber man weiß ja, wie das abläuft.«
»Wie läuft es ab?«
»Folgendermaßen. Soweit ich es geschnallt habe, sind sie wahnsinnig viele, in jedem Handyladen der Stadt. Sie suchen sich ein Opfer aus und schlagen zu, schnell, einfach und sehr bedrohlich.«
»Weißt du mehr über sie?«
»Nur, was man so gehört hat. Der Boss nennt sich Kill. Die, die mich überfallen haben, lachten und sagten, sie würden ihm meine Kapuzenjacke schenken. Die wäre genau sein Geschmack.«
»Was weißt du über Kill?«
»Mit dem ist nicht zu spaßen. Aber ich kenne niemanden, der ihn getroffen hat. Es gibt Gerüchte. Es heißt, er hat es für die Bullen total unmöglich gemacht, Kriminelle mithilfe von Handys zu identifizieren. Er ist so was wie ein Held bei den Ganoven, weißt du. Obwohl er sie ausnimmt. Hat was mit Masochismus zu tun, glaube ich.«
»Kannst du einen von denen identifizieren, die dich überfallen haben?«
»Keine Chance, Mann. Man versucht sie so schnell wie möglich zu vergessen.«
Jon Anderson verzehrte enttäuscht den Rest seines Würstchens. Er hatte sich etwas mehr erhofft von dem Mann, der das Handy gekauft hatte, das dann für den Bekenneranruf bei dem schlimmsten Terrorakt aller Zeiten in Schweden benutzt wurde. Aber es gab nichts mehr, womit er ihn unter Druck setzen konnte.
»Noch eine, Mann«, bettelte Jonte. »Nur noch eine.«
Jon Anderson kaufte noch ein Würstchen für Jonte, verabschiedete sich und blieb vor den Türen zur U-Bahn-Station Tcentralen stehen. Er holte sein Handy hervor und wählte eine Nummer.
»Jorge? Ja, bedaure. Kein Resultat bei Jonte. Aber alles ist bestätigt, sogar Kill. Soll ich reinkommen?«
»Das wird wohl das Beste sein«, sagte Jorge Chavez, legte auf und sah sich in dem leeren Zimmer um. Ja, er vermisste Jon Anderson tatsächlich.
Er atmete tief ein und dachte an sein Leben. Er dachte an Bengt Äkesson, der mithilfe von Augenbewegungen mit der Außenwelt kommunizierte. Doch, Chavez' Leben war trotz allem besser. Er hatte seine geliebte Tochter, Isabel. Die hatte er. Aber ob er eine Frau hatte, das fragte er sich. Der letzte Abend war zwar schön gewesen. Als sie endlich von der Arbeit nach Hause gekommen waren, hatte Sara ihn überrascht. Sie hatte ein super Essen aufgetischt - Catering zwar, aber immerhin -, und er hatte sich besser gefühlt als seit langer, langer Zeit. Dann hatten sie sich geliebt, und er hatte sich dabei ertappt, dass er weinte.
Seit sehr, sehr langer Zeit zum ersten Mal.
Er öffnete das Intranet. Die Ermittlung expandierte weiter. Er hatte keine Lust, alles durchzusehen, sondern wechselte wieder ins Polizeiarchiv.
Kill, dachte er. Dieser verdammte Kill. Er schien ein echter Street Myth zu sein. Alle kannten ihn, keiner wusste, wer er war, nur dass sich sein Aktionsradius ständig erweiterte, und keiner wusste, wie man ihn zu fassen bekam. Keiner, außer Bengt Äkesson.
Und der konnte es nicht sagen.
Es sei denn, Jorge Chavez fiel die richtige Frage ein.
Das war eine Art von Sesam-öffne-dich! Ein einfaches Codewort und die Schatzkammer von Ali Baba und den Räubern öffnete sich.
Oder wie der komplizierte gordische Knoten, der gelöst werden musste, wenn man Herrscher
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