Opferzahl: Kriminalroman
Arto Söderstedt.
Die Blicke der beiden wandten sich der Türöffnung zu.
»Sondergenehmigung«, sagte Chavez. »Wir müssen zwischen 19.20 Uhr und 19.45 Uhr den sogenannten Kill anrufen, weil wir neue Kunden sind. Es ist jetzt 19.34 Uhr. Ihr seid es, die zur Halbachtsitzung zu spät kommen, nicht wir.«
»Ich glaube, wir bleiben noch einen Moment«, sagte Norlander. »Ihr habt ja richtig Spaß.«
»Macht, was ihr wollt«, sagte Chavez und griff zum Telefon.
»Warte noch«, sagte Söderstedt. »Hat Kerstin diese ganze Information aus Bengt Äkesson herausbekommen?«
»Es kam nur darauf an zu wissen, welche Fragen man stellen musste«, sagte Chavez. »Sesam, öffne dich! Der Rest war mehr eine Geduldsfrage. Er kommuniziert, indem er die Pupillen bewegt.«
»Kann er nicht einmal zwinkern?«, stieß Norlander hervor.
»Nein«, sagte Jon Anderson und wandte sich Chavez zu. »Aber nimm die Antworten jetzt der Reihe nach. Es ist verdammt wichtig. Sonst entlarven sie uns direkt, und dann verschwindet diese Nummer in derselben Sekunde. Und das hier ist unsere einzige Chance, Kontakt aufzunehmen.«
Chavez nickte und schob ein in pedantischer Handschrift verfasstes Papier über den Schreibtisch. Dann nahm er den Telefonhörer und wählte eine Nummer.
Viggo Norlander sagte:
»Leg jetzt dein schlimmstes Kanakenschwedisch auf.« Jorge Chavez warf ihm einen extrem bösen Blick zu und lauschte ins Telefon. »Ja.«
»Ich interessiere mich für Ihre Briefmarken«, sagte Chavez konzentriert.
»Wie viele?«, fragte die Stimme. »Fünfzehn«, sagte Chavez.
Das war die Zahl, auf die sie sich geeinigt hatten. Keine absurd hohe Zahl, aber hoch genug, um jemanden aus den oberen Rängen der Hierarchie auf den Plan zu rufen. Sie hofften, dass es Kill selbst sein würde.
»Einen Augenblick«, sagte die Stimme.
Es blieb eine Weile still. Chavez betrachtete seine Kollegen. Eigentlich müsste es ihn irritieren, dass sie dabei waren. Aber so war es nicht. Es kam ihm ganz richtig vor.
Dann erklang eine andere Stimme:
»Fünfzehn?«
»Ja«, sagte Chavez.
»Warum?«, fragte die Stimme.
Die Frage stand nicht auf dem Papier. Chavez machte eine Geste, die leichte Panik andeutete, fing sich aber wieder und sagte ruhig und mit minimaler Verzögerung:
»Logistischer Bedarf.«
Es blieb einen Moment still. Dann kam die Stimme zurück und fragte:
»Was ist dein Lieblingsessen?«
»Salzhering.«
»Wann wurde der Eiffelturm gebaut?«
»1887-1889«, sagte Chavez.
»Der beste Künstler?«
»Steven Seagal.«
»Wer ist dein Lieblingsschauspieler?«
»Picasso.«
»Erwartest du Mengenrabatt?«
Die Frage stand auch nicht da. Szenarien jagten durch Chavez' Kopf. Es ging schneller, als er zu hoffen gewagt hatte. Er antwortete:
»Nein. Aber auch keinen überhöhten Preis.«
Wieder ein Moment Schweigen. Dann sagte die Stimme:
»Okay. Lieferung wohin?«
Scheiße, dachte Chavez noch. Scheiße, verdammte, konnte er sogar noch denken. Lieferung? Wir wollen sie bei Kill abholen, wollte er schreien. Wir kommen zu euch, ihr Scheißkerle.
»Rödabergspark«, sagte er.
Er sollte noch einige Jahre dauern, bis er aufhören würde, darüber nachzudenken, woher ihm die Antwort gekommen war. Als einziger Grund fiel ihm nachher ein, dass er, obwohl er in Vasastan wohnte, noch nie im Rödabergspark gewesen war. Einen kurzen Moment blanken Entsetzens fragte er sich, ob es diesen Park überhaupt gab. Roda bergen gab es, in Vasastan. Aber gab es wirklich einen Rödabergspark?
Offensichtlich.
»Dreihundert in einer Tasche. Sonst sind alle tot.«
»Okay«, sagte Chavez.
»Heute Nacht um drei«, sagte die Stimme und war weg. Jorge Chavez legte auf und atmete tief aus. Und erhielt Applaus.
Drei Mann standen in der Türöffnung und klatschten. »Fuck off«, sagte Chavez und strich sich über die Stirn. »Alte taoistische Weisheit«, sagte Jon Anderson. Chavez lachte und stand auf.
»Richtig saubere Lösungen«, meinte Arto Söderstedt anerkennend, während sie zur Kampfleitzentrale hinüberwanderten.
»Danke«, sagte Chavez verblüfft.
Es war Viertel vor acht, als sie eintrafen. Der Rest der A-Gruppe betrachtete sie säuerlich, während sie sich setzten.
An der hinteren Wand der Kampfleitzentrale war die Projektion einer Skizze des Wagens Carl Jonas zu sehen, die Opfer waren mit Kreuzen und Ziffern markiert. Kerstin Holm saß an ihrem Katheder. Ihr Blick war fest auf Jorge Chavez gerichtet. Er seufzte
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