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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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ist«, sagte Sara. »Ich liebe dich.«

    »Und ich dich auch.«

    »Übrigens bin ich es, die Danke sagen muss.«

    »Wofür?«

    »Für deine Tränen«, sagte Sara und legte auf.

    Als sie mit dem Dienstwagen auf einen gewundenen Weg einbog, der zu Albysjöns Strand führte, konnte sie feststellen, dass sie selbst auch keinen Mangel an Tränen hatte. Und als der Värdshusväg nach einer halbkreisförmigen Fahrt endete, war sie gezwungen, den Rückspiegel herunterzudrehen, um ihr an und für sich minimalistisches Make-up in Ordnung zu bringen.

    Es ging leidlich. Sie holte tief Luft und blickte in die schöne Umgebung hinaus. Fittja gärd hatte wirklich eine wunderbare Lage am Wasser, drei alte, schöne Gebäude, die aussahen, als stünden sie unter Denkmalschutz, und eine neue Ausstellungshalle.

    Sie lokalisierte die Bibliothek. Sie befand sich in dem neuen Gebäude und wirkte hell, behaglich und gepflegt. Sie hatte von der Existenz eines Multikulturellen Zentrums von diesen Ausmaßen überhaupt keine Ahnung gehabt. Das stieß ihr bitter auf. Wie urschwedisch war sie eigentlich? Hatte sie zum Beispiel ihren eigenen multikulturellen Ehemann kaputtintegriert? War das auch einer der Gründe, warum sie sich voneinander entfernt hatten?

    Jedenfalls sind wir auf dem Weg zurück, dachte sie und musste stehen bleiben, um die Tränen zurückzuhalten. Sie stand direkt neben einem Aushang mit vielen Zetteln, auf denen diverse Arrangements multikultureller Art annonciert wurden. Dort blieb sie eine Weile stehen und tat, als ob sie las, während sie ihre Gesichtszüge unter Kontrolle brachte.

    Dann wandte sie sich zum Empfangspult und fragte die offenbar sehr aufgeweckte Bibliothekarin nach Ibn Khalduns al-Muqaddima oder Prolegomena. Die Bibliothekarin konnte nicht umhin, kurz die Brauen zu heben. Dann schaute sie in ihrer Datenbank nach und verwies die große, blonde Schwedin an Regal K.

    Die große blonde Schwedin ging dorthin und fand das Buch. Während sie dastand und den mächtigen Buchrücken betrachtete, begann plötzlich etwas in ihr zu rumoren. Das Rumoren war etwas, das Arto Söderstedt oft befiel, aber nicht Sara Svenhagen. Er pflegte freimütig über diverse Sandkörner zu berichten, die ins Auge seines Gedankens geweht worden waren und dort scheuerten. Wie in einer Muschel, vielleicht im Begriff, zu einer Perle zu werden. Aber die man nicht so leicht zu fassen bekam.

    Sie hatte irgendetwas gesehen.

    Es kommt vor, dass ein Rentner, der durch die Straßen spaziert, von einem plötzlichen Krampf, einem durchdringenden Schmerz befallen wird, der ihn zwingt, abrupt stehen zu bleiben. Man nennt das Phänomen manchmal Schaufensterkrankheit. Wenn der Anfall auftritt und der ganze Körper wie gelähmt ist, kann man ihn damit maskieren, dass man zum Beispiel so tut, als gucke man in ein Schaufenster.

    Das ungefähr war es, was Sara Svenhagen in diesem Augenblick passierte. Sie war wie gelähmt. Was zum Teufel hatte sie gesehen?

    Das Sandkorn scheuerte und scheuerte. Und sie stand völlig still.

    Und das, was schließlich aus ihrem Auge rollte, war nicht noch eine Träne. Es war eine Perle.

    Sie fing sie ein, drückte das dicke Buch an sich und kehrte zu den Annoncen am Eingang zurück. Ihre Blicke wanderten die vielen Zettel und Anzeigen und Poster entlang.

    Und sie fand, was sie suchte.

    Halb verdeckt von einer Anzeige, die auf Spanisch einen Sambakurs in Fittja ankündete, hing ein Zettel. Er war ungleich nüchterner formuliert und zeigte das Schwarz-Weiß-Foto eines schwarzen Mannes mit starrem Blick. Der Text lautete: »Wenn Sie diesen Mann gesehen haben, verständigen Sie sofort die Polizei in Älvsjö.« Und darunter die gut einprägsame Telefonnummer, die die heiligen Reiter von Siffin angerufen hatten.

    Mit inzwischen geübter Hand schlug Sara Svenhagen die Seite zweihundertsiebenundsechzig in den Prolegomena auf. In einem Zitatblock standen die mächtigen Worte des Kalifen Ali an seine Krieger, darunter: »Senkt euren Blick. Das macht den Geist konzentrierter und gibt dem Herzen mehr Frieden.«

    Direkt neben das Zitat hatte jemand zwei dicke senkrechte Bleistiftstriche gesetzt.

    Sie ging zum Tresen, und die Bibliothekarin war sofort zur Stelle; es kam ihr so vor, als habe diese sie schon eine Weile beobachtet.

    »Ist alles in Ordnung?«, fragte die Bibliothekarin mit einer gewissen Unruhe in der Stimme.

    »Alles prima«, sagte Sara Svenhagen und legte ohne Umstände ihren Polizeiausweis auf den

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