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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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nicht in Behandlung begeben. Wir hoffen, dass ihre DNA Aufschluss bringt, aber ich bin skeptisch. Sie ist sicher nicht kriminell, nur verrückt. Und deshalb ist ihre DNA nirgendwo gespeichert.«

    »Wäre es nicht endlich an der Zeit, die gesamte Bevölkerung in einem DNA-Register zu erfassen?«, sagte Jon Anderson. »Das wäre doch für den Staat eine Riesenersparnis an Zeit und Arbeitsaufwand.«

    »Ethisch knifflige Frage«, entgegnete Holm. »Wozu soll das Register benutzt werden? Um Homosexuelle zu erfassen? Ihre Genbanken zu erforschen? Gibt es ein Schwulengen, das man ausradieren sollte?«

    »Wir sind schon viel zu viele«, sagte Jon Anderson und lachte. »Ihr werdet uns nie mehr los.«

    »Dann sagen wir eben Downsyndrom«, sagte Holm. »Oder, weiß der Himmel was, Plattfüße. Niemand weiß, wie die Vorurteile von morgen aussehen.«

    »Oder das vollständige Wissen über unser aller Gene macht alle Vorurteile überflüssig«, sagte Anderson und fuhr nach einer kurzen Pause fort: »Ich weiß, dass es sich komisch anhören mag, wenn so etwas von mir kommt. Hätte ich ein halbes Jahrhundert früher gelebt, wäre ich in Auschwitz gestorben. Aber nicht, wenn man die DNA gekannt hätte. Dann hätte man niemals so harte Typisierungen vorgenommen und keiner hätte kraniologische Schaubilder über Menschentypen gezeichnet. Dann hätte man die Komplexität in einem einzigartigen Menschen erkannt. Sogar in den allerschlimmsten lebenden Klischees. Korrigiert mich, wenn ich mich irre.«

    Eine Weile war es still in der Kampfleitzentrale.

    »Ich kann nicht umhin, dir zuzustimmen«, sagte Arto Söderstedt. »Ich fürchte, bei dem, was wir Integrität nennen, handelt es sich oft ganz einfach darum, dass man nicht gesehen werden will, wenn man miese Dinge tut. Ich finde, wenn man miese Dinge tun will, soll man es offen tun. Die Gesellschaft ist offen und soll offen sein. Und wir müssen akzeptieren, dass Menschen, so gut wie alle Menschen, auf die eine oder andere Art und Weise, miese Dinge tun. Wir müssen die Latte für die moralische Panik höher legen. Es sind die geschlossenen, geheimen Räume, die immer das wirklich Böse hervorgebracht haben. Sorgen wir dafür, dass sie nur noch für die richtig Bösen gebraucht werden. Und isolieren wir die und keine anderen.«

    Wieder herrschte eine Weile Schweigen.

    »Nein, jetzt ist es aber genug mit Moralphilosophie«, beschloss Kerstin Holm. »Die sogenannte Verrückte ist nicht gefunden worden. Sie hätte gefunden werden müssen. Es ist eine Mitteilung an sämtliche Ärzte in Stockholm und Umgebung hinausgegangen, einschließlich des ausgesprochen mittelmäßigen Porträts, das unsere Polizeizeichner mithilfe von Nadja Smith und den drei übrigen Zeugen zusammengestoppelt haben. Kein medizinisches Pflegepersonal hat sich gemeldet. Entweder hat sie einen illegalen Arzt aufgesucht, was gar nicht so einfach sein dürfte, erst recht nicht, wenn man stark blutet, oder sie liegt völlig verwirrt unter irgendeiner Brücke und stirbt.«

    »Gibt es keine Zeugenaussagen über eine blutende Frau in der Nacht in der Nähe von St.Eriksbron?«, fragte Lena Lindberg.

    Kerstin Holm schüttelte langsam den Kopf.

    »Nein, es gibt keine. Das ist schon ein wenig seltsam. Es müsste welche geben.«

    »Also hat sie sich einfach in Luft aufgelöst?«, fragte Viggo Norlander.

    »Vorläufig auf jeden Fall«, sagte Kerstin Holm.

    »Bis ihre verblutete Leiche gefunden wird«, fügte Arto Söderstedt hinzu.

    Die A-Gruppe sah ihn an. Der Kommentar passte so gar nicht zu Arto Söderstedt. Er entschuldigte sich denn auch sogleich.

    »Denkt man nicht leicht so?«, sagte er. »Wer vermisst schon eine Verrückte? Sie ist geisteskrank, obdachlos, wie vom Erdboden verschluckt.«

    »Noch andere Kommentare zu dieser seltsamen Frau?«, fragte Kerstin Holm.

    »Ja«, sagte Söderstedt. »Das ist es ja gerade. Das ist es ja gerade.«

    »Gerade was?«, fragte Holm.

    »Ja«, sagte Söderstedt. »Gerade was? Diese Frau steht da strategisch aufgestellt mitten im Wagen, an der mittleren von sieben Türen des Wagens Carl Jonas, und schreit und gestikuliert und fuchtelt mit Gartengeräten, die niemand aussprechen kann. Also komplett irre? Von wegen!«

    »Sondern?«

    »Ich weiß es nicht«, sagte Söderstedt. »Wir untersuchen gerade, ob es zwischen den sechs bisher identifizierten Opfern eine Verbindung gibt. Dazu kontrollieren wir ihre Computer. Wir suchen Kontaktflächen, Berührungspunkte. Denn sie

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