Opferzahl: Kriminalroman
Geografie, mögliche Fluchtwege, und so weiter. Sara und Lena, ihr beschafft eine passende Tasche für unser imaginäres Geld. Und du Gunnar, tja, du bereitest dich auf den Actioneinsatz der Nacht vor.«
»Für mich ist diesmal Fehlanzeige mit Action«, sagte Gunnar Nyberg mürrisch. »Ich will Mann im Hintergrund sein.«
»Du kannst dich ja hinter einem Rosenstrauch in Rödabergsbrinken verstecken und beobachten, wie gut es läuft«, stichelte Norlander.
»Also dann, meine Freunde«, sagte Kerstin Holm, »erkläre ich diese Sitzung für beendet. Nutzt die Zeit gut.«
*
Plötzlich haben wir ein bisschen Zeit. Heute Nacht rücken wir aus und fangen Verbrecher. Der Plan ist klar. Wir haben ein paar Stunden frei bekommen. Alles, was ich wollte, war nach Hause fahren zu meinem Liebling, die Hand auf diese kleine Ausbuchtung ihrer Haut legen und zu Gott beten. Aber nicht in dieser heiligen und hohen Weise, in der man zu beten pflegt, sondern so, wie man einen Freund um einen Gefallen bittet. Beten, dass du deiner ohnehin schon übervollen Tagesordnung hinzufügst, sie zu retten. Irgendein kleiner Termin wird sich wohl noch finden.
Nimm dieses Böse weg. Nimm es einfach weg.
Aber ich habe es nicht getan. Ich muss meine Zeit nutzen. Ich habe weiter geforscht. Ich kam einfach nicht darauf, was es ist, ob es etwas ist, das ich wider alle Vernunft mitgenommen habe. Und dann begann ich zu ahnen, worum es geht. Ich verstehe es immer noch nicht ganz, aber die Ahnung ist da. Du willst, dass ich selbst darauf komme, nicht wahr, du Teufel? Das Einfachste und Sicherste ist, wenn ich es lediglich abliefere, ohne dass du mich instruieren musst- dann könnte ich dich noch nicht einmal festnehmen.
Das war das eine, was ich tat. Das andere war: deine Tochter suchen. Jawohl, verdammt.
Das Risiko ist nur, dass Liebe für dich nicht dasselbe bedeutet wie für mich. Du lachst mich vielleicht nur aus. Und drückst auf deinen verfluchten höllischen Auslöser, ohne eine Miene zu verziehen.
Und ich, würde ich wirklich - um einen unschuldigen, geliebten Menschen zu retten - einem unschuldigen unbekannten Menschen schaden können? Könnte ich anderseits das Gegenteil tun? Einen geliebten Menschen opfern, weil es nicht »recht« wäre, zum Gegenschlag auszuholen?
Was heißt »recht«? Zu einem bestimmten Zeitpunkt, in einer bestimmten Situation, erübrigt sich diese Art von Fragestellung.
Er droht damit, einen Menschen zu ermorden, den ich liebe. Ist es dann falsch, wenn ich damit drohe, einen Menschen zu ermorden, den er liebt? Natürlich ist es falsch, in der Theorie, und ich würde diese Tat in der Öffentlichkeit niemals rechtfertigen.
Aber das hier ist Praxis.
Kann man wirklich lernen, in der Hölle zu leben? Mitten im Inferno die Alltagsstrukturen zu ordnen? Weiterzuleben und so zu tun, als wäre das Extreme das Alltägliche?
Denn Tatsache ist ja, dass ich mindestens ebenso klar denke wie sonst. Ich funktioniere. Die Arbeit geht voran. Wir machen ständig Fortschritte. Und ich bin dabei.
Können sie mir etwas ansehen? Hat mich schon jemand durchschaut? Ich bin ja von ziemlich cleveren Menschen umgeben, das weiß ich seit vielen Jahren, und es ist möglich, dass sie bereits Bescheid wissen. Dass einige von ihnen bereits über mich diskutieren und wissen wollen, was ich eigentlich mache.
Vielleicht sehen sie den Tod in meinem Gesicht.
Aber jetzt, bald, schlage ich zu.
Du wirst sehen, was das Wort Gegenfeuer bedeutet.
*
Etwas drängte in den Sommer.
Vielleicht lag es an der eigentümlichen Klarheit des Mondlichts. Oder an einer unerwarteten Kraft in den nächtlich dahinschwimmenden Spätsommerwolken.
Vielleicht war es aber auch ganz einfach die Eiseskälte.
Zumindest wenn man dastand, ohne sich zu rühren.
Es war Viertel vor drei am Sonntagmorgen, und sechs von acht Mitgliedern der A-Gruppe standen oder hockten da, ohne sich zu bewegen.
Gunnar Nyberg verharrte beispielsweise hinter einem Rosenstrauch.
Der kleine Park Rödabergsbrinken wurde von einer Fahrstraße umschlossen und war nur minimal von ein paar ziemlich blassen Straßenlaternen beleuchtet, die aus den Jahren nach 1920 übrig geblieben zu sein schienen, als der Architekt Per Olof Hallman das Viertel am Rödaberg hochgezogen hatte. Kurz zuvor hatten Stockholms Stadtarchitekten noch auf gitternetzartige Stadtplanung mit großen Blocks und geraden Straßen gesetzt, wie beispielsweise in Lindhagen. Hallman plante
Weitere Kostenlose Bücher