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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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dieses Laufs sehr vieles dachte. Aber was, daran erinnerte er sich nicht.

    Die Falugata machte in der Tat einen Schwenker nach oben, wo Sätertäppan enden musste. Anderson schlich an der Fassade eines Hauses entlang zur Straßenecke und warf einen schnellen Blick zum Park hinauf.

    Und da kam der Kapuzenmann. In seiner linken Hand glänzte etwas im Licht einer Parklaterne - vermutlich eine gezogene Pistole. Er war jetzt höchstens zehn Meter entfernt.

    Er ist Linkshänder, wie ich, konnte Anderson noch denken. Aber er konnte nicht einmal mehr tief Luft holen, sonder sprang auf die Straße und richtete seine Waffe auf den Mann.

    »Waffe fallen lassen«, brüllte er.

    Wo das Gesicht hätte sichtbar sein sollen, war nur ein dunkler Schatten unter der Kapuze. Der Mann blieb stehen. Komischerweise dachte Anderson daran, dass der Pulli grüngelb gestreift war. Aber noch merkwürdiger war, dass er den kleinen Elch darauf erkannte.

    Der Mann bewegte sich nicht vom Fleck. Die Waffe hing ganz still in seiner Hand. Und das Dunkel unter der Kapuze wurde immer dunkler.

    Zeit verging.

    Anderson stand nur da, mit erhobener Waffe. Der Mann stand nur da, mit gesenkter Waffe. Dann kam die Bewegung.

    Sie war so merkwürdig, so erwartet und dennoch so überraschend.

    Als der Mann die Pistole hob, schoss Jon Anderson.

    Er schoss ihm die Pistole aus der Hand. Es hallte wie der Klang einer Kirchenglocke durch die Gartenstadt.

    Der Mann schrie auf. Anderson lief auf ihn zu und schlug ihm die Pistole an den Kopf.

    Er fiel um wie ein Baum.

    Als Jorge Chavez und Arto Söderstedt durch den Durchgang von der Rödabergsgata an Sätertäppan entlang heruntergestürmt kamen, sahen sie Jon Anderson gekrümmt über dem bewusstlosen Mann stehen und kotzen.

     

    *

     

    Der Mann am Verhörtisch hatte einen dicken Verband am Hinterkopf, geronnenes Blut im Gesicht und roch nach Erbrochenem. Die grüngelb gestreifte Kapuzenjacke war schon an Ort und Stelle entsorgt worden - nicht ganz vorschriftsgemäß im nächsten Papierkorb in Roda bergen. Trotzdem hing der Gestank noch in der Luft.

    Ihm gegenüber saßen Kerstin Holm und Jorge Chavez. Beide hatten das Gefühl, ziemlich hohläugig auszusehen. Es war fünf Uhr am Morgen, und keiner hatte in der Nacht auch nur eine Minute geschlafen.

    Die Person im Verhörraum, die noch am frischesten aussah, war ohne Zweifel Kill.

    Denn selbstverständlich war der Mann ihnen gegenüber Kill. Er sah unansehnlich genug aus, um sich unsichtbar machen können. Aber jetzt war er gefasst worden. Von Jon Anderson; von allen Actionhelden der Welt war es ausgerechnet Jon Anderson gewesen.

    Den sie zu seiner Wohnung in Sibirien gebracht hatten und der dort im Flur im Stehen eingeschlafen war. Chavez hatte den langen, schlafwandelnden Körper zum Bett transportiert und ihn zusammengefaltet. Dann war er zum Präsidium zurückgekehrt, wo Kill verarztet wurde. Er war schon im Auto wieder munter geworden, in der Mitte zwischen Norlander und Nyberg, und als Kerstin Holm einen Blick in den Rückspiegel warf, hatte er dort auf dem Rücksitz des Öko-Autos nicht gerade imponierend ausgesehen. Ihr ein wenig benebeltes Bewusstsein produzierte die Vorstellung von einem Schmetterling: ein minimaler Körper zwischen zwei Riesenflügeln.

    Das war bei näherem Nachdenken ein ziemlich irreführendes Bild.

    Allein der Vergleich von Nyberg und Norlander mit Schmetterlingsflügeln ließ sie dort im Verhörraum wieder munter werden. Sie sagte:

    »Tja, Kill. Jetzt müssen Sie uns alles erzählen.«

    Der Mann hatte ein sympathisches Gesicht unter dem geronnenen Blut. Sein schwarzes Haar war kurz geschnitten und rahmte ein freundlich lächelndes Gesicht von, wie Holm meinte, kurdischer oder türkischer Herkunft ein.

    »Ich verstehe leider nicht, was Sie meinen«, sagte der Mann in perfektem Schwedisch. »Und ich verstehe nicht, wie Sie mich nennen.«

    »Ich nenne Sie Kill«, sagte Kerstin Holm. »Nicht zuletzt, weil Sie versucht haben, einen meiner Beamten zu erschießen.«

    Der Mann schwieg. Das Lächeln hing noch in seinen Mundwinkeln, obwohl eher als kleiner Überrest. Chavez räusperte sich und sagte:

    »Wir haben uns gefreut, dass Sie Jontes Kapuzenjacke noch hatten. Dafür sind wir sehr dankbar.«

    »Eine Jacke der Marke Abercrombie and Flynn«, sagte Kerstin Holm.

    »Abercrombie and Fitch«, korrigierte der Mann.

    »Danke«, sagte Chavez. »Das klingt jetzt allmählich nach Schleichwerbung. Hören wir damit

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