Opferzahl: Kriminalroman
jetzt war er nicht mehr zu sehen. Aber Anderson hielt den Blick auf das Kunstwerk gerichtet, während der Wagen weiterfuhr, zum Rödabergspark.
Er wagte es nicht, sein Walkie-Talkie zu benutzen. Die Skulptur war zu nah. Er wagte überhaupt nicht, sich zu bewegen. Jedes Geräusch hätte ihn sofort verraten.
Am meisten fürchtete er, dass es ein Scharfschütze sein könnte.
Und so zog er langsam, ganz langsam seine Waffe aus dem Achselholster.
Der Wagen hielt am westlichen Ende des Parks. Zwei Männer stiegen aus. Einer von ihnen trug eine Tasche über der Schulter.
Sie sahen wie wirklich schwere Jungs aus. Langsam betraten sie den Park und gingen hinein. Ihre Jacken waren geöffnet. Ihre Hände zweifellos bereit, die Waffen zu ziehen.
Chavez und Norlander sahen sie in einem Unheil verheißenden Halbkreis auf sich zukommen. Die Männer gingen langsam, glitten ins Licht der Laternen hinein und wieder heraus. Ihre Schritte verrieten große Selbstsicherheit.
Der Mond trat hinter einer Wolke hervor. Der ganze kleine, dreigeteilte Rödabergspark wurde in gleißendes Silberlicht getaucht.
Chavez und Norlander standen ganz, ganz still.
Die Männer kamen näher. Norlander versuchte, die Dicke ihrer Jacken einzuschätzen. Was verbarg sich dahinter? Maschinenpistolen?
Nein, kaum, dachte Viggo Norlander.
Während er gleichzeitig immer intensiver an den Tod dachte.
Das hatte er in letzter Zeit oft getan.
Die Schritte der Männer auf dem Kies wurden deutlicher hörbar, und man konnte ihre Gesichtszüge im Mondlicht erkennen.
Dann blieben sie stehen.
Sie waren fünf Meter entfernt. Mehr nicht.
Der Rechte war groß und massig, er hatte scharfe, halb asiatische Züge. Der Linke war kleiner, kantiger, sehnig. Er trug die Tasche.
Sie blickten sich um. Schätzten die Lage ein. Beobachteten Chavez im Anzug und Norlander in der Lederjacke.
Der sehnige Mann auf der Linken nickte kurz und sagte:
»Das Geld.«
Chavez wartete einen Augenblick und sagte: »Kann ich erst die Telefone sehen?« Der Sehnige lachte auf und sagte: »Natürlich nicht.«
Nyberg und Söderstedt waren aus den Rosensträuchern heraus, noch ehe Chavez und Norlander ihre Waffen gezogen hatten. Aber alle vier waren deutlich schneller als die beiden Männer. Holm und Svenhagen tauchten wenige Sekunden später auf, und am Ende auch Lindberg, den lästigen Schlafsack um das eine Bein gewickelt.
Mit sieben Schusswaffen auf sich gerichtet, blieb den beiden Männern keine große Wahl. Dennoch lag einige geladene Sekunden lang Zweifel in der Luft, aber dann hoben sie die Hände über den Kopf.
Jon Anderson sah das Geschehen nur aus den Augenwinkeln. Seine Aufmerksamkeit war anderweitig gebunden. Noch sah er nichts, aber er hob langsam die Waffe in Richtung des Kunstwerks.
Dann löste sich der Schatten von der Metallskulptur.
Er bewegte sich langsam rückwärts, und als er sich umwandte, war es ein Mann in einer Kapuzenjacke. Er sah aus wie ein ganz gewöhnlicher junger Mann. Langsam und lautlos begann er, im Inneren der Allee die Rödabergsgata hinunterzuwandern.
Anderson trat aus dem Durchgang. Er duckte sich hinter den geparkten Autos und lief auf dem Bürgersteig an ihnen entlang, stets auf gleicher Höhe mit dem Kapuzenmann. Etwas weiter vorn war eine größere Lücke zwischen den Autos. Er sah die Lücke, lief etwas schneller und glitt vor einem Wagen in sie hinein.
Der Mann war verschwunden. Er musste ihn gehört und sich davongestohlen haben. Anderson konnte nur mutmaßen. Entweder hatte der Mann die Falugata genommen, oder er hatte auf der Rödabergsgata kehrtgemacht und war in dem Durchgang in Richtung Sätertäppan verschwunden.
Oder aber, dachte Anderson im gleichen Moment, in dem er auf die Straße hinaustrat, er hat mich gehört und steht mit der Pistole im Anschlag geduckt hinter einem Baum.
Da Jon Anderson noch lebte, war Letzteres anscheinend nicht der Fall.
Anderson hatte die Karte im Kopf; sie lag wie ein Raster vor seinem inneren Auge. Er lief hinunter zur Falugata, die sich ziemlich breit zur St. Eriksgata hin öffnete. Keine Spur von einem Mann mit Kapuzenjacke. Also musste er den Durchgang genommen haben und war jetzt auf dem Weg nach unten durch Sätertäppan. Dann musste es möglich sein, ihm über die Falugata den Weg abzuschneiden, dachte Jon Anderson und lief, lief wie eine wahnsinnige Giraffe mit gewaltigen, aber wankenden Schritten.
Später sollte er sich daran erinnern, dass er während
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