Opferzeit: Thriller (German Edition)
und eine dunkelblaue Hose heraus. »Müsste deine Größe sein«, sagt sie.
»Wo hast du die her?«
»Vom Kostümverleih«, sagt sie. »Du darfst sie nicht beschädigen, sonst bekomme ich mein Pfand nicht zurück.«
Er weiß nicht, ob sie einen Scherz macht. Er faltet die Polizeiuniform auseinander und begutachtet sie. »Sieht echt aus«, sagt er.
»Natürlich tut sie das. Das ist ja der Witz bei einem Kostümverleih. Los, probier sie mal an.«
»Glaubst du wirklich, dass wir sie brauchen?«
»Hoffentlich nicht, aber ich fürchte, schon. Es wird ein großes Durcheinander geben, und es werden eine Menge Leute da sein. Wenn du sie anhast, wird man dich nicht verhaften.«
Er geht mit der Uniform ins Schlafzimmer. Wie der Rest des Hauses ist auch dieser Raum nicht wirklich unordentlich, aber auch nicht gerade aufgeräumt. Das Bett ist nicht gemacht, und auf dem Boden liegen Kleidungsstücke, aber der Teppich ist nicht voller Flecken von Essensresten und die Fensterbank auch nicht mit Schimmel überzogen. Er breitet die Uniform auf dem Bett aus und zieht sich rasch um. Sie sitzt ganz anständig, wenn auch ein wenig locker.
»Was meinst du?«, fragt er, als er ins Wohnzimmer zurückkehrt.
Stella lächelt. Es ist das erste Mal, dass er an ihr eine positive Gefühlsregung bemerkt. Ja, sie funkelt sogar mit den Augen. Offensichtlich stimmt das, was man über Männer in Uniform sagt. Wäre er zwanzig Jahre jünger und hätte seine Tochter nicht verloren, und wäre er, wenn auch nur auf dem Papier, nicht verheiratet und Stella kein Vergewaltigungsopfer, das Rache für ihr ungeborenes Baby will, tja, dann würde vielleicht was gehen, wenn er diese Uniform trägt.
»Sie sitzt ziemlich gut«, sagt er. »Offensichtlich hast du ein gutes Auge für Kleidergrößen. Klasse, es ist auch ein Gürtel dabei«, sagt er und fummelt an dem Täschchen mit den Handschellen herum. »Es gibt sogar ein Funkgerät. Das Zeug sieht wirklich echt aus.«
»Das Funkgerät funktioniert nicht«, sagt sie. »Aber abgesehen davon hast du recht, es sieht so gut wie echt aus.«
Er geht zu einem Spiegel im Wohnzimme und begutachtet sich darin. Würde er sich jetzt die ganze Sache nochmal durch den Kopf gehen lassen, würde er womöglich auf der Stelle aussteigen. Er muss jetzt einfach mitziehen. Er wird Joe töten. Er schätzt, sie müssen in den nächsten paar Tagen alles geben, und wenn er sich jetzt nicht ins Zeug legt, wird der Plan nicht aufgehen. Er weiß, dass ihn die Rote Raserei antreiben wird.
»Bist du sicher, dass man uns nicht schnappt?«, fragt er und zupft an der Uniform. Theoretisch ist dieser Teil des Plans genauso gut wie der Rest, trotzdem hat er dabei ein ungutes Gefühl. Er betrachtet Stella im Spiegel und sieht ihren Blick auf ihm ruhen.
»Falls doch, würde das eine Rolle spielen?«, fragt sie. »Wenn du jetzt die Möglichkeit hättest, Joe eine Kugel in den Kopf zu jagen, und du müsstest dafür zehn Jahre ins Gefängnis, würdest du es tun?«
»Ja«, sagt er. Er muss nicht mal darüber nachdenken. Allerdings wären es nicht zehn Jahre. Kein Richter würde ihm zehn Jahre aufbrummen, weil er den Mann erschossen hat, der seine Tochter vergewaltigt und getötet hat. Aber vielleicht sieht er das auch zu optimistisch. Es gab schon Richter, die für sowas eine längere Haftstrafe verhängt haben. »Und du?«, fragt er.
»Sofort.«
Da klopft es an die Tür. Beide verharren bewegungslos.
»Erwartest du jemanden?«, fragt sie.
Er schüttelt den Kopf.
Stella tritt ans Fenster und späht durch das Rollo. »Es ist der gleiche Wagen wie gestern Abend, der von den Cops.«
»Scheiße«, sagt er und fängt an, das Hemd aufzuknöpfen. »Sie dürfen mich nicht in diesem Aufzug sehen.«
»Mach einfach nicht auf.«
»Es könnte wichtig sein«, sagt er und zieht das halb zu geknöpfte Hemd über den Kopf, damit es schneller geht. »Außerdem steht mein Wagen in der Auffahrt. Sie werden wissen, dass ich zu Hause bin.« Er kickt seine Schuhe fort und reißt sich die Hose herunter, und er hat nur noch die Unterwäsche und Socken an, als es erneut klopft.
»Einen Moment«, ruft er und schaut sich nach anderen Klamotten um, aber da sind keine. »Scheiße«, sagt er, dann läuft er ins Badezimmer, das direkt von der Diele abgeht, und schnappt sich ein Handtuch. Er wickelt es sich um die Taille und geht zur Tür.
Kapitel 32
Schroder ist auf dem Weg zum Kasino, als ihm die Idee kommt, Raphael einen Besuch abzustatten. Die Autoren und
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