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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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Minute, damit ich mich anziehen kann«, sagt er. »Aber ich möchte nicht, dass du hier wartest. Das hier ist Angelas Zimmer.«
    Melissa geht ins Wohnzimmer und setzt sich. Sie hat eben hier ausgeharrt und dem Gespräch von Raphael und Schroder gelauscht, bis klar war, dass sie ins Haus kommen würden. In Angelas Zimmer konnte sie die beiden deutlich verstehen, und gleichzeitig hat sie all die interessanten Sachen an den Wänden studiert, die ein Mädchen im Teenageralter nicht im Geringsten interessieren würden.
    Eine Minute später betritt Raphael das Wohnzimmer. Er trägt die Kleidung, die er bei ihren Schießübungen anhatte, nur die Stiefel fehlen. Mit freiem Oberkörper sah er definitiv besser aus, und in Uniform sah er definitiv noch sehr viel besser aus. Die ungezwungene Schönheit, die er sonst ausstrahlt, ist jetzt verflogen, die Anspannung steht ihm im Gesicht geschrieben. Er setzt sich ihr gegenüber aufs Sofa und nimmt sein Wasser vom Couchtisch. Er trinkt das Glas halb aus, steht wieder auf, geht in die Küche und kommt mit einer Flasche Bourbon zurück. Dann trinkt er das restliche Wasser und füllt das Glas mit dem guten Zeug. Er bietet Melissa ebenfalls etwas an, aber sie schüttelt den Kopf. Das könnte ihrem falschen Baby schaden.
    »Immerhin weißt du jetzt, dass ich tatsächlich den Abzug drücken werde«, sagt er.
    »Soll das etwa witzig sein?«
    »Nein. Eigentlich nicht.«
    »Du hast sie getötet? Alle beide?«, fragt sie.
    Er nickt. »Sie wollten ihn verteidigen«, sagt er.
    Sie versteht, warum er es getan hat. Sie hat es schon ver standen, als ihr Blick auf die Artikel über die beiden Anwälte fiel, die Joes Verteidigung übernehmen wollten. Auf den Artikeln hat Raphael über ihre Gesichter ein rotes X gemalt.
    »Selbst im Guten verstehe ich die Anwälte nicht«, sagt er.
    »Und im Schlechten?«, fragt sie.
    »Dann sind sie bereit, jemanden wie Joe Middleton zu verteidigen. Diese beiden Schweine wollten die Tragödie um meine Tochter benutzen, um sich zu profilieren, um berühmt zu werden, um sich in Anwaltskreisen einen Namen zu machen, damit sie Typen wie Joe vertreten können und noch berühmter werden und noch mehr Geld verdienen. Leute, die so was machen, sind zu allem fähig.«
    Melissa sagt nichts. Sie weiß, wozu Leute fähig sind. Sie weiß, dass Raphael weitermachen wird, ohne dass man ihn auffordern muss. Sie spürt, dass es ihm guttun, ihn innerlich reinigen wird. Er hat es die ganze Zeit mit sich herumgetragen. Sie greift nach dem Glas, das sie bisher nicht angerührt hat, und nimmt einen Schluck. Das Wasser hat inzwischen Raumtemperatur.
    »Ich war bei ihm«, sagt er. »Ich habe mit dem ersten Anwalt einen Termin gemacht, und er hat mich auch empfangen. Ich habe ihn angefleht, Joe nicht zu verteidigen. Regelrecht angefleht. Und weißt du was? Er sagte, er könne meinen Standpunkt verstehen. Er könne sich vorstellen, wie ich mich fühle. Ist das zu fassen? Dieser Scheißkerl sagt zu mir, dass er weiß, wie ich mich fühle. Dann erklärte er, dass jeder das Recht auf einen Anwalt habe, so stehe es im Gesetz, und wie jeder andere habe auch Joe Anspruch darauf. Aber das ergab für mich keinen Sinn. Ich meine, da ist ein Typ, der die Gesetze missachtet und jede Menschlichkeit vermissen lässt, und plötzlich hat er Grundrechte? Drauf geschissen«, sagt er, und es ist das erste Mal, dass Melissa ihn fluchen hört.
    »Also hast du angefangen, ihm Todesdrohungen zu schicken«, sagt sie.
    Er schüttelt den Kopf. »Nein. Ich habe gelesen, dass beide Anwälte Todesdrohungen in der Post hatten, aber die kamen nicht von mir.«
    »Du hast sie nur getötet«, sagt sie.
    »Ja. Aber nicht sofort. Nachdem ich mit dem Anwalt gesprochen hatte, gab ich ihm einen Monat Zeit. Ich war mir sicher, er würde zu demselben Ergebnis kommen wie ich, wenn er nochmal darüber nachdachte. Das muss man doch zwangsläufig, oder? Einen Monat später überlegte ich mir, es wäre vielleicht besser, mich mit ihm in einer weniger offiziel len Umgebung zu treffen, in der Hoffnung, er würde mir dann auf einer weniger offiziellen, menschlicheren Ebene begegnen. Also fuhr ich abends erneut zu seinem Büro, wartete, bis er Feierabend machte, und folgte ihm zu seinem Wagen.«
    Er hält eine Hand hoch. »Ich weiß, was du denkst«, sagt er, aber er irrt sich. Er hat keine Ahnung, was sie denkt. »Ich bin ihm nicht gefolgt, um ihm was anzutun, ich wollte ihm nur meinen Standpunkt klarmachen. Ihn an den Schmerz erinnern,

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