Opferzeit: Thriller (German Edition)
den er hervorrufen würde.«
»Und er hat dir nicht zugehört?«
»Doch. Das ist es ja«, sagt Raphael jetzt lebhafter, während er beide Hände in die Höhe reißt. »Er hat sich alles angehört, was ich zu sagen hatte, aber selbst danach wollte er sein Mandat für Joe nicht niederlegen.«
»Das hat dich wütend gemacht.«
»Das hätte jeden wütend gemacht.«
»Also hast du ihn getötet.«
»So war es nicht. Es war ein Unfall.«
»Wie?«
Er fährt sich mit den Fingern über die Stirn und durch die Haare, dann schüttelt er langsam den Kopf, nur ganz leicht. »Ich habe auf ihn eingeschlagen«, sagt er und atmet geräuschvoll aus. »Mit einem Hammer.«
»Du hast immer einen Hammer im Wagen?«
»Nein.«
»Du hast ihn also extra mitgenommen.«
»Ich schätze schon.«
»Du hast mit ihm geredet, ohne dass er den Hammer gesehen hat, richtig? Du hattest ihn also in deiner Tasche, oder er steckte in deinem Hosenbund. Du hast ihn mitgenommen, weil du wusstest, du würdest ihn töten, wenn es nicht zu deiner Zufriedenheit laufen und er sich deiner Position nicht anschließen sollte. Du bist einen Monat später zu ihm gegangen, weil du wusstest, dass die Polizei in seinem Terminkalender nur nach Leuten suchen würde, mit denen er sich vor Kurzem getroffen hatte.«
»Ich weiß, genauso sieht es aus«, sagt er, »aber so hatte ich das Ganze nicht geplant.«
»Was hattest du denn geplant, falls er nicht einer Meinung mit dir wäre?«
Raphael zuckt die Achseln. »Weiß nicht. Jedenfalls nicht das.«
Melissa nickt. Sie führen ein tolles Gespräch. Sie wünschte, sie würde es mit Joe führen. Sie könnten sich währenddessen nackt ausziehen. »Was hast du dann getan?«
»Ich habe ihn im Kofferraum seines Autos verstaut und dann meinen Wagen geholt. Ich habe direkt neben ihm geparkt, die Leiche in meinen Wagen verfrachtet und bin rausgefahren nach … also, ich habe ihn vergraben.«
»Da, wo wir heute unsere Schießübungen gemacht haben«, sagt Melissa. »Stimmt’s?«
»Ja.«
»Hast du dich danach besser gefühlt?«
»Angela wurde davon nicht wieder lebendig, aber das wusste ich schon vorher. Ja, ich habe mich besser gefühlt. Ein bisschen. Wenige Tage später erklärte sich ein anderer Anwalt bereit, den Fall zu übernehmen. Ich machte mir nicht die Mühe, ihn aufzusuchen, denn ich wusste, das Gespräch würde ähnlich verlaufen. Also habe ich mich um ihn ebenfalls gekümmert. Diesmal habe ich die Leiche liegen lassen, damit man sie findet. Ich dachte, auf diese Weise wäre die Botschaft deutlicher, weißt du, für andere Anwälte. So war es dann auch. Joes dritter Anwalt wurde vom Gericht berufen. Er scheint sich nicht um den Job gerissen zu haben. Darum gibt es keinen Grund, ihm was anzutun. Bisher jedenfalls nicht.« Dann fügt er hinzu: »Die beiden anderen wären sowieso getötet worden. Irgendjemand hat ihnen Todesdrohungen geschickt.«
»Du hast zwei unschuldige Menschen getötet«, sagt sie, obwohl es ihr völlig egal ist, aber sie findet, Raphael soll das Gefühl haben, sie hätte Mitleid mit ihnen.
»Sie waren nicht unschuldig«, sagt er.
»Ich bin mir sicher, sie wären da anderer Meinung.«
»Und …«, sagt er, »… ändert das irgendwas?«
Sie wartet ein paar Sekunden mit einer Antwort. Als müss te sie wirklich darüber nachdenken. Als wäre es wirklich schwer, das abzuwägen. Aber das ist es nicht. Es ist leicht. Es zeigt sich, dass der gestrige Entschluss, Raphael anzusprechen, noch besser war, als sie gedacht hat.
»Ich … ich weiß nicht, ich habe bisher keinen Mörder kennengelernt«, sagt sie. »Ich sollte froh sein, denn das zeigt ja nur, dass du am Montag abdrücken wirst, aber, also, um ehrlich zu sein … das ist alles etwas befremdlich. Du hast zwei Leute umbegracht.«
»Zwei böse Menschen«, sagt er.
»Zwei böse Menschen«, wiederholt sie. »Anwälte, die böse Dinge getan haben.«
»Genau«, sagt er. »Die Frage bleibt dieselbe – ändert das irgendwas?«
»Nein«, sagt sie.
»Gut«, sagt er und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.
»Aber wir nehmen uns nur Joe vor«, sagt sie. »Keinen der Cops, die ihn eskortieren. Und keine weiteren Anwälte. Es wurde bereits zu viel Blut vergossen. Nur Joe.«
»Sicher«, sagt er. »Die Bullen haben ihn hinter Schloss und Riegel gebracht. Sie sind auf unserer Seite.«
»Und der Bulle, der eben hier geklingelt hat?«, fragt sie. »Was wollte er?«
»Schroder? Na ja, er arbeitet nicht mehr für die Polizei«, sagt er ein wenig
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