Opferzeit: Thriller (German Edition)
schon hassen, da ist noch was.«
»Das sollte besser was Positives sein«, sagt sie in demselben Tonfall wie Schroder, wenn Tate ihn angerufen hat. »Sie werden mich jetzt nicht um einen Gefallen bitten, oder?«
»Hören Sie, ich bin heute noch mal bei Raphael gewesen.«
Er kann sie vor sich sehen, wie sie den Kopf schüttelt. »Herrgott, Carl. Warum?«
»Um ihm das Foto von Melissa zu zeigen«, sagt er, geht in die Hocke und lehnt sich gegen die Wand.
»Und?«
»Er verheimlicht irgendwas. Ich weiß nicht genau, was, aber er ist nicht ganz echt.«
»Nicht ganz echt?«
Schroder nickt und zuckt dann mit den Schultern. »Ja, nicht ganz echt«, sagt er. »Ich sage Ihnen, irgendwas stimmt nicht mit ihm.«
»Irgendwas stimmt nicht mit ihm«, sagt sie.
»Und Sie wiederholen alles, was ich sage«, sagt er.
»Ich wiederhole es nicht«, sagt sie, »ich nehme es auf. Können Sie das etwas genauer erklären, Carl?«
»Ich hatte das Gefühl, dass er Melissa erkannt hat.«
»Natürlich hat er das. Ihr Foto war oft genug in der Zeitung.«
»Nein. Das meine ich nicht. Ich glaube, dass er sie von woandersher kennt.«
»Sie glauben? Ist das alles, was Sie haben?«
Er drückt sich von der Wand ab und richtet sich wieder auf. »Er könnte sie aus seiner Gruppe kennen. Womöglich hat er uns angelogen.«
»Warum sollte er das tun?«
»Keine Ahnung«, sagt er, und egal aus welchem Blickwinkel er die Sache betrachtet, ihm fällt kein Grund ein. »Ich denke, es könnte nicht schaden, ihn zu beschatten.«
»So? Glauben Sie wirklich, wir hätten genug Leute, um jeden zu beschatten, bei dem wir ein ungutes Gefühl haben?«
»Ich kann ihn beschatten.«
»Tun Sie das nicht. Sie haben keinen Grund dazu, außer Ihrem unguten Gefühl. Bei wie vielen Menschen am Tag ha ben Sie ein ungutes Gefühl, hä? Zehn? Zwanzig? Ich habe bei Ihnen gerade auch ein ungutes Gefühl. Sollte ich Sie deswe gen auch beschatten? Hören Sie, ich muss los. Ich melde mich morgen bei Ihnen, sobald wir Calhoun gefunden haben.«
Bevor Schroder noch etwas sagen kann, legt sie auf. Er steckt das Handy in seine Tasche und geht zu Jonas Jones, um ihn bezüglich ihres Deals auf den neuesten Stand zu bringen.
Kapitel 36
»Wie ist das passiert?«, fragt meine Psychiaterin, während sie mein blaues Auge betrachtet.
Ich hebe die Hand und zucke zusammen. Keine Ahnung, warum zum Henker ich es gerade angefasst habe. »Ich bin ausgerutscht und gefallen«, erkläre ich ihr.
»Wer war das?«
»Ich möchte, dass wir aufrichtig zueinander sind«, sage ich. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein, aber ich kann Ihnen nicht sagen, wer das war, denn wenn ich das tue, macht es die Sache nur noch schlimmer.«
»Nein, das wird es nicht, Joe. Ich kann Ihnen helfen.«
»Sie können Joe hier drinnen nicht helfen«, sage ich. »Sie haben keine Ahnung, was hier abgeht.«
Es ist Samstagmorgen. Ich habe unruhig geschlafen, denn auf der einen Seite meines Gesichts hatte ich höllische Schmerzen. Gestern Abend, bevor wir alle wieder in unsere Zellen gebracht wurden, suchte Caleb Cole mich auf. Er erklärte mir, dass er mich lieber umbringen will, als das Geld zu nehmen; er wüsste keinen Grund, warum er damit warten sollte. Schließlich bestehe der Knast nur aus Warten, und die einzige Möglichkeit, die Langeweile zu vertreiben, sei, etwas zu tun. Etwas zu tun sei also unterhaltsamer, als zu warten. Er ist auf mich losgegangen, und sein erster Schlag traf mich in die Magengrube, der nächste ins Gesicht. Das Problem ist nur, dass ich ein friedliebender Mensch bin und nicht weiß, wie man sich wehrt. Bevor er ein drittes Mal zuschlagen konnte, kam Adam herein, und Caleb hörte auf. Als Adam Caleb fragte, was los sei, meinte dieser, er habe gesehen, wie ich gestürzt sei, und habe mir nur helfen wollen. Er rieb sich die Hände, denn die Schläge, die er mir verpasst hatte, hatten ihm genauso wehgetan wie mir.
Stimmt das, Middleton ?, fragte Adam.
Ich sah alles nur leicht verschwommen. Ich nickte und sagte, genau das sei passiert, und Adam war zufrieden. Er würde wegen der Sache keine schlaflosen Nächte haben. Ich konnte von Glück sagen, dass er überhaupt dazwischengegangen ist. Bestimmt hat er es nur getan, weil er mich nicht mehr dazu zwingen kann, seine nächste Sandwich-Kreation zu essen, wenn ich tot bin.
»Joe, wenn Sie bedroht werden, müssen Sie mir das sagen«, sagt Ali.
»Warum? Glauben Sie etwa, die Wärter scheren sich darum?«
»Joe …«
»Können wir bitte nur
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