Opferzeit: Thriller (German Edition)
starker Moment sein. Im ganzen Land werden sich bei den Zuschauern die Nackenhärchen aufstellen.
»Nicht allzu tief«, sagt Jones.
Vorsichtig stößt Schroder den Spaten in die Erde und schaufelt sie langsam fort, während er hinter sich einen Berg nasser Erde anhäuft. Eine Minute später tritt er zurück.
»Da ist was«, sagt er, und das Team kommt näher heran. »Es sieht aus wie die sterblichen Überreste eines Menschen. Okay, hören Sie«, sagt Schroder zu Jones und das Kamerateam gewandt, und er klingt wie der Polizist, der er mal war, »ich weiß, was Sie gerade gesagt haben, aber wir müssen jetzt aufhören. Das hier reicht aus, um die Polizei zu verständigen. Das hier ist jetzt offiziell ein Tatort«, sagt er und nimmt die Hand hoch, um damit das Objektiv zuzuhalten, genau wie sie es besprochen haben. »Bleibt, wo ihr seid«, sagt er, »bringt nichts durcheinander. Und hört auf zu filmen.«
Sie hören auf zu filmen.
»Das war unglaublich gut«, sagt die Regisseurin. »Ich muss schon sagen, ich hatte ja so meine Zweifel, aber, Mann, Sie können ja tatsächlich hellsehen«, sagt sie zu Jones.
Jones lächelt sie an, aber Schroder merkt, dass er ein wenig beleidigt ist, weil die Regisseurin dachte, dass er vielleicht kein echtes Medium ist. »Ich freue mich, dass ich helfen kann«, sagt er.
Schroder nimmt sein Handy und ruft Detective Kent an.
Kapitel 44
Als ich zu mir komme, habe ich ein flaues Gefühl in der Magengegend, und ich weiß nicht genau, wo ich bin. Während der ersten Woche im Knast bin ich jeden Morgen mit diesem Gefühl aufgewacht. Mir war in dieser erstenWoche immer übel, und ich wusste nicht, wo ich mich befand. Diese Blackouts dauerten höchstens zwei, drei Sekunden an, bevor die Wirklichkeit wieder über mich hereinbrach. In der zweiten Woche lief es dann besser, und seitdem habe ich mich nur einige wenige Male so gefühlt – es war aber nie wieder so schlimm wie an diesem ersten Morgen. Jetzt ist mein Magen schlimm verkrampft, und der Raum ist nur ein dunkler Raum und keine Isolationszelle. Dann kommen die Erinnerungen wieder zurück – langsam, schleichend, quälend. Ich steige von meiner Pritsche und hänge ein paar Minuten über der Toilette, weil ich das Gefühl habe, ich müsse mich übergeben, aber es kommt nichts, und dann kommt fast doch noch was. Aber die einzige Flüssigkeit, die aus meinem Körper dringt, ist Schweiß. Wie sich herausstellt ist der Raum nicht so dunkel wie gedacht. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist. Doch ich weiß, dass man mich bald hier rausholen wird – keine Frage. Trotzdem, da ist dieser nagende Zweifel, diese leise Stimme, die mir sagt, dass hier Endstation ist, dass diese vier Wände und dieses höhlenartige Licht meine Zukunft sind. Kein Prozess, kein Anwalt, keine Wärter mehr – nur noch das hier.
Ich trete von der Toilette zurück und lege mich wieder aufs Bett. Meine Knie tun weh, sie sind voller blauer Flecken, weil ich gestern im Transporter daraufgefallen bin, als ich anfing zu würgen. Ja, in den letzten Tagen bin ich oft in die Knie gegangen – als man mir das Sandwich reingestopft und Caleb Cole mich geschlagen hat. Ich vermute, dass eine Stunde vergangen ist, als ein Summen ertönt und die Tür entriegelt wird und sich öffnet; auf der anderen Seite steht ein Gefängniswärter, den ich nie zuvor gesehen habe.
»Gehen wir, Middleton«, sagt er.
Also gehen wir. Der Wärter ist groß wie ein Basketballspieler und hat den Körperumfang eines Lkw-Fahrers; er bringt mich in den Speisesaal und lässt auf dem ganzen Weg eine seiner Pranken auf meiner Schulter liegen.
All die Jungs, die ich kennen und lieben gelernt und deren Tod ich mir gewünscht habe, sitzen bereits beim Frühstück. Ich bekomme ebenfalls eine Portion, nippe an dem Wasser und betrachte das Essen, doch ich kriege es nicht runter. Der Stuhl ist unbequem, und ich konzentriere mich darauf, das, was in meinem Körper ist, in meinem Körper zu behalten, darauf, diesen Kampf zu gewinnen – mit Erfolg. Dann werden wir nach draußen gebracht. Ich schaue den anderen Häftlingen beim Training zu, mache aber selbst nicht mit. Mein Magen fühlt sich immer noch an, als hätte man ihn durch den Wolf gedreht, was eine Verbesserung gegenüber gestern ist. Es sieht aus, als würde heute ein ziemlich schöner Tag werden, kalt, aber ideal, um Frauen nach Hause zu folgen, denn was das betrifft, bin ich wie der Postbote – ich komme vorbei, egal bei welchem Wetter. Nach einer
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