Opferzeit: Thriller (German Edition)
springen nicht wieder in ihre ursprüngliche Form zurück, stattdessen ballen sie sich immer fester zusammen. Man stellt mich vor einer Toilettenschüssel auf, und der Anblick eines angetrockneten Klümpchens Scheiße über der Wasserlinie beschleunigt den Entleerungsprozess effektiver als ein in den Hals gesteckter Finger.
Noch nie in meinem Leben habe ich mich so elend gefühlt. Der Schweiß rinnt mir von der Stirn. Ich übergebe mich erneut, dann falle ich nach vorn, und kurz bevor ich mir die Schneidezähne am Porzellan ausschlage, fängt mich jemand auf. Sie zerren mich hoch, und vom Rest der Reise kriege ich außer ein paar verschwommenen Wänden und manchmal meinen eigenen Füßen wenig mit. Man bringt mich zu einer Erste-Hilfe-Station, ich werde auf eine Liege gelegt, aber keine meiner Fesseln wird entfernt. Der Raum riecht nach Ammoniak, Jod und erst kürzlich weggewischter Kotze. Hier riecht es genauso wie in der Erste-Hilfe-Sta tion damals auf unserer Schule. Für einen Moment, für einen ganz kurzen Moment, fühle ich mich dorthin zurückversetzt. Ich bin wieder acht Jahre alt, mir ist schlecht, die Krankenschwester streicht mir übers Haar und erklärt mir, alles werde wieder gut. Diesmal tut das niemand.
»Joe«, sagt eine Stimme. Ich öffne die Augen. Es ist eine Krankenschwester. Sie ist ziemlich attraktiv, und ich versuche es mit einem Lächeln, bringe aber nichts dergleichen zustande. Sie blickt auf mich herab. »Wie geht es Ihnen?«, fragt sie.
»Mir geht’s beschissen.«
»Können Sie das etwas detaillierter beschreiben?«
»Richtig beschissen«, beschreibe ich ihr meinen Zustand nun sehr detailliert. Sie reicht mir einen Becher Wasser und fordert mich auf, ihn auszutrinken, und ich schaffe ein paar Schlucke, bevor ich mich auf die Seite rolle und erneut zu kotzen beginne.
Dieser heiße weibliche Detective Kent und Jack und die beiden anderen Beamten sind mit im Raum. Die Krankenschwester redet mit ihnen, aber ich kann mich nicht auf ihre Unterhaltung konzentrieren. Dann ruft der heiße weibliche Detective jemanden an. Die Schwester kommt zurück, die rattenscharfe Krankenschwester, und ich muss richtig krank sein, denn so sehr ich auch versuche, mir vorzustellen, wie es die rattenscharfe Krankenschwester mit dem heißen weiblichen Detective treibt, will meine Fantasie nicht darauf anspringen. Vielmehr schweift sie zu anderen Themen ab. Ich denke an die Hochzeit meiner Mom. Ich denke an Santa Suit Kenny. Ich denke an die gemeinsamen Nächte mit Melissa.
»Joe, was haben Sie in den letzten Tagen gegessen?«
»Beschissenes Essen«, erkläre ich ihr.
»Können Sie mir das vielleicht etwas detaillierter beschreiben?«
»Richtig beschissenes Essen«, erkläre ich ihr, wobei ich erneut ausgiebig ins Detail gehe und mich frage, ob diese Frau in ihrem Leben wirklich immer alles so ausführlich braucht.
»Tut das weh?«, fragt sie und sticht mit ihren Fingerspitzen in die Seite meines Bauchs. Ich kann hören, wie es da drinnen gluckert. Wir alle können es hören. Es tut nicht weh, aber das verrate ich ihr nicht, und daher bittet sie mich auch nicht, es noch etwas detaillierter zu beschreiben. Sie drückt ein wenig fester zu, und diesmal muss ich meine Arschmuskeln zusammenkneifen, um eine Riesenschweinerei zu verhindern.
»Ja«, erkläre ich und verspüre dabei den Wunsch, ihr etwas Spitzes in den Bauch zu rammen und dann dieselbe Frage zu stellen. »Es ist ein stechender Schmerz«, erkläre ich ihr.
»Wo genau?«
»Überall.«
Kent kommt herüber. Sie schüttelt den Kopf. »Niemand sonst im Gefängnis ist krank«, sagt sie.
»Er simuliert«, sagt Jack, aber es klingt so, als würde nicht einmal er selbst daran glauben.
Die Krankenschwester schüttelt den Kopf. »Glaube ich nicht«, sagt sie. »Ich denke, wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen.«
»Draußen auf dem Parkplatz steht ein Rettungswagen«, sagt Kent und wendet sich dann dem Wachmann zu. »Holen Sie die Rettungssanitäter«, sagt sie. »Hoffentlich können die das in Ordnung bringen, damit es beim Prozess keine Verzögerung gibt.«
Kapitel 59
»Irgendwas ist schiefgelaufen«, sagt Trish. »Stimmt’s? Bitte, erspar dir selbst mehr Ärger als nötig und lass uns gehen.«
»Noch nicht«, sagt Melissa und schiebt das Handy zurück in ihre Tasche. Sie stellt sich vor, wie Raphael oben in dem Bürogebäude durch das Zielfernrohr des Gewehrs auf den Rettungswagen herunterstarrt. Vielleicht überlegte er, ob er die
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