Opferzeit: Thriller (German Edition)
Schläfe. Einmal. Zweimal. Dann ein drittes Mal. Endlich schweigt Trish, und das ist gut so, denn sie ist ihr langsam mächtig auf die Nerven gegangen. Die Frau kippt nach vorn, und Melissa fängt sie auf, bevor sie auf die Hupe knallt. Der ganze Plan geht den Bach runter.
Sie greift über die Sitzbank und zerrt die bewusstlose oder tote Frau zu sich nach hinten. Ihr Körper ist schwer und ihre Gliedmaßen und Kleider verhaken sich am Sitz, aber schließ lich ist es geschafft.
Die ganze Sache läuft aus dem Ruder. Der andere Rettungssanitäter liegt bereits unter der Transportliege. Sie kann es nicht riskieren, dass ein Cop ihr dabei hilft, Joe hinten einzuladen, und dabei den reglosen Sanitäter entdeckt. Also tut sie ihr Bestes, um Trish ebenfalls unter die Liege zu stopfen. Die Decken, die sie über den Mann gebreitet hat, breitet sie nun über beide. Nun sieht es aus wie zwei von Decken verhüllte Leichen unter einer Transportliege. Es muss eine bessere Lösung geben als das. Aber ihr fällt keine ein. Es ist, wie es ist, und sie steckt bereits zu tief in dieser Sache drin, als dass sie den Schaden begrenzen und von hier verschwinden könnte.
Sie klettert in die Fahrerkabine, und als sie sich hinters Steuer setzt, bemerkt sie jemanden draußen neben dem Rettungswagen. Es ist ein Wachmann, aber nicht derselbe, der am Hinterausgang steht. Er wirkt, als hätte er es eilig. Sie lässt das Fenster herunter und hält die Pistole außer Sichtweite, denn sie weiß, so miserabel wie dieser Tag verlaufen war, würde sie sich wesentlich besser fühlen, wenn sie diesem Kerl nur beim geringsten Anlass etwas Übles zufügen könnte.
»Es gab einen Zwischenfall«, sagt er mit leiser, rauer Stimme, einer, wie sie findet, perfekten Stimme, um damit Folterpornos anzupreisen. »Mit dem Schlächter von Christchurch. Wir brauchen Ihre Hilfe.«
Kapitel 60
»Hier ist die Sanitäterin«, sagt eine Stimme, aber ich kann meine Augen nicht öffnen, um nachzusehen. Ich kann überhaupt nicht viel tun, außer auf dem Rücken zu liegen und zu beten, dass es irgendwann wieder besser wird. Ich habe höllische Angst, das hier könnte mein Ende sein und in meinem Körper wäre dauerhafter Schaden angerichtet, sodass ich diesen Krämpfen, diesen Schmerzen nie wieder entkommen kann.
»Ich muss auf die Toilette«, erkläre ich ihnen. »Und zwar sofort.«
In der Erste-Hilfe-Station gibt es eine Toilette. Sie führen mich hinein, lassen mich dann mit meinen explodierenden Innereien allein, und die Geräusche hallen durch alle Räume. Eigentlich sollte mir das etwas ausmachen, ich sollte mich schämen, aber ich tu’s nicht. Ich hocke zusammengekrümmt auf der Schüssel, die Handgelenke und Fußgelenke immer noch mit Ketten gefesselt, und fühle mich, als wäre ich wieder hinten im Transporter.
Die Erleichterung ist sofort spürbar, und zum ersten Mal seit Caleb Coles Attacke fühlen sich meine Innereien wieder entspannt an. Die letzten Ausläufer des Sturms ziehen durch. Ich drücke die Spülung, verlasse die Toilette, und niemand lacht mich aus. Alle blicken besorgt. Ich setze mich wieder auf die Liege.
Dann sehe ich die Sanitäterin. Sie kommt mir bekannt vor. Und es wert zu sein, vergewaltigt zu werden.
»Was fehlt Ihnen?«, fragt sie, und nicht nur ihr Anblick, auch ihre Stimme wirkt vertraut. Mein verbleibender Hoden schrumpelt zusammen, für einen Augenblick spüre ich Gras an meinem Rücken, sehe Sterne über mir und fühle mich zurückversetzt in jene Nacht vor einem Jahr, in der mein Lieblingshoden erst hallo und dann auf Nimmerwiedersehen zu Melissas Kombizange sagte.
Ich fixiere sie. Ich schaue ihr in die Augen, aber sie schaut nicht zurück. Sie blickt zur Krankenschwester.
»Sieht mir ganz nach einer Lebensmittelvergiftung aus«, sagt die Schwester, »aber niemand sonst im Gefängnis hat eine. Er übergibt sich und hat einen üblen Durchfall.«
»Haben Sie seinen Blutdruck gemessen und die Temperatur genommen?«, fragt die Sanitäterin und wendet sich zu mir. Melissa? Nein. Das kann nicht sein. Aber diese Augen … es sind eindeutig Melissas Augen. Da bin ich mir ganz sicher.
»Noch nicht«, sagt die Schwester.
»Dann tun Sie es«, sagt Melissa, und ich kann fühlen, wie mein Pulsschlag sich beschleunigt. »Hat er irgendwelche Flüssigkeiten verabreicht bekommen?«
»Wir haben versucht, ihm Wasser zu geben, aber er konnte es nicht bei sich behalten«, erwidert die Schwester und beginnt dann, meinen Blutdruck zu
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