Opferzeit: Thriller (German Edition)
Gaze zusammen und stopft sie in das Einschussloch. Dann wälzt sie Joe auf die Seite und stopft noch mehr Gaze in die Austrittswunde. Dann legt sie Kompressen auf beide Seiten und benutzt Bandagen, um sie fest auf die Wunden zu pressen. Mehr kann sie nicht tun. Im Augenblick zumindest. Bis sie zusätzlich Hilfe erhält. Und sie weiß auch, wo sie die findet.
Sie setzt sich wieder hinters Steuer. Sie schaltet das Radio ein und lauscht unbestätigten Berichten, denen zufolge es Dutzende von Toten und einige Hundert Verletzte gegeben hat, und sie weiß, es können unmöglich so viele sein. Sie fährt weiter. Die unbestätigten Zahlen bleiben unbestätigt, die Schätzungen verringern sich ein wenig, und das Einzige, bei dem sie wirklich richtig liegen, ist die Anzahl der Explosionen. Und natürlich die Massenpanik – die Menschen fliehen aus der Gegend. Unbestätigten Meldungen zufolge sind außerdem Schüsse gefallen, aber Joe wird mit keinem Wort erwähnt.
Fünfzehn Minuten später biegt sie in dieselbe Straße, in der sie bereits heute Morgen war, und fährt in dieselbe Ein fahrt desselben Hauses. Sie steigt aus und benutzt Sallys Schlüssel, um Sallys Eingangstür zu öffnen, und Sally liegt immer noch in Pyjama und Morgenmantel gefesselt und geknebelt an genau derselben Stelle, an der Melissa sie zurückgelassen hat. Die Dicke wirkt traurig. Außerdem sieht es so aus, als hätte sie sich nass gemacht.
»Wenn du schreist, bring ich dich um. Hast du verstanden?«, sagt Melissa.
Sally nickt. Melissa zieht den Knebel heraus.
»Wenn du uns hilfst, wirst du überleben. Verstanden?«
»Wer ist uns ?«, fragt Sally.
»Ich hab einen Patienten draußen im Transporter, du musst mir helfen, ihn reinzubringen. Es ist Joe.«
»Joe? Ich … ich verstehe nicht.«
»Er ist verwundet, du Jesus-liebender-Heffalump«, sagt Melissa, die kurz davor ist, die Geduld zu verlieren. »Ich will, dass du ihm hilfst. Wenn du das nicht tust, dann schneid ich dir deine schlabbrigen Titten ab und lass dich hier verbluten.«
»Ich …«
Melissa schlägt ihr ins Gesicht. »Ich erklär dir jetzt, wie’s läuft«, sagt sie. »Du wirst Joe helfen, und wenn er stirbt, dann stirbst du auch, und wenn er überlebt, dann wirst auch du überleben. So einfach ist das. Kapiert? Hast du jetzt begriffen, wie’s läuft?«
»Was fehlt ihm?«
»Er wurde angeschossen.«
»Ich dachte …«
»Ihr Typen, ihr Jesus-Freaks, ihr habt’s doch immer so mit der Vergebung, richtig? Es ist deine Aufgabe, ihm für das zu vergeben, was er getan hat«, sagt Melissa. »Du bist eine Krankenschwester, darum ist es deine Aufgabe, Menschen zu helfen. Also musst du nur deine Gottesliebe mit deiner professionellen Hilfsbereitschaft kombinieren. Betrachte diese Geschichte einfach als perfekte Herausforderung für dich.«
»Aber ich hab keinerlei medizinische Ausrüstung.«
»Ich hab eine ganze Tasche voll davon«, sagt Melissa, zieht ein Messer heraus und durchtrennt die Plastikbinder an Sallys Armen und Beinen. Sally setzt sich auf und beginnt, ihre Handgelenke zu massieren. Melissa zeigt ihr die Pistole.
»Eine falsche Bewegung«, sagt sie, »und es ist aus mit dir.«
Sie gehen nach draußen. Sally ist schlau genug, keinen Fluchtversuch zu starten, daher hat Melissa keinen Grund, ihr in den Rücken zu schießen. Sie ziehen Joe aus dem Trans porter und schaffen ihn nach drinnen, aber der Küchentisch ist zu klein, daher tragen sie ihn durch einen kurzen Flur in das sehr kleine Schlafzimmer, in dem Melissa letzte Nacht geschlafen hat. Auf dem Boden sind Stofftiere verstreut, die Melissa runtergeworfen hat, als sie sich gestern aufs Bett legte, und jetzt trampeln und stehen sie auf diesen Kuscheltieren herum. Sie legen Joe aufs Bett, dann stellt Melissa die Tasche mit den medizinischen Utensilien am Fußende ab.
»Wir müssen seine Kleider aufschneiden«, sagt Sally.
»Dann schneid sie auf«, sagt Melissa.
Sally fährt mit der Schere von Joes Hüfte bis zum Kragen, dann trennt sie die Schulter seines Jacketts ab und löst den Verband, den Melissa vorhin angelegt hat. Sie zupft die Kleider und den Verband von der Wunde, zieht die Gaze heraus und legt die Wunde frei. Das Loch ist groß genug, um einen Finger hineinzustecken, aber nicht größer. Die ganze Zeit über steht Melissa, die Waffe seitlich am Körper, ein paar Schritte entfernt.
Sally starrt auf die Wunde und schüttelt den Kopf. »Er muss ins Krankenhaus.«
»Betrachte das hier als Krankenhaus«, sagt
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