Opferzeit: Thriller (German Edition)
würde jetzt nicht so viel Blut auf den Straßen liegen.
»Hör zu, wie gesagt, wir haben alle unsere Fehler gemacht«, sagt Hutton. »Wir haben alle etwas übersehen, was uns eigentlich ins Auge hätte springen müssen. Du bist jetzt seit einem Monat weg, und keiner von uns war auch nur das kleinste bisschen erfolgreicher bei der Suche nach Melissa, und ich weiß, du bist derjenige, dem der Durchbruch gelungen ist, indem du ihren wahren Namen herausgefunden hast«, sagt er, und Schroder weiß, dass selbst das nicht wirklich zutrifft – es war Theodor Tate, dem das gelungen ist. »Was ich damit sagen will, ist, dass wir alle mit verantwortlich sind.«
»Was du damit sagen willst, ist, dass du glaubst, ich wäre keine große Hilfe«, sagt Schroder.
»Das will ich damit überhaupt nicht sagen«, erwidert Hutton, tut es im Grunde aber doch, und sie beide wissen das. »Ich will damit nur sagen, dass es nicht mehr deine Aufgabe ist.«
Hutton starrt ihn an, wartet auf eine Antwort, und Schroder braucht über fünf Sekunden, bis er eine ausspuckt. »Ich brauche das«, sagt er.
»Carl …«
»Ich brauche das, Wilson. Ich bin derjenige, der die Idee mit dem Ablenkungsmanöver auf der Fahrt zum Gerichtsgebäude hatte. Ich bin derjenige, dem Melissa die Idee geklaut hat.«
»Sie …«
Schroder hebt eine Hand. »Sie ist in mein Auto eingebrochen, während ich Joe im Gefängnis besucht habe. Davor habe ich ein paar Minuten mit ihr gesprochen, ohne überhaupt zu merken, dass es sie war.«
»Himmel, Carl, was soll’s?«
»Ich bin derjenige, in dessen Auto sie eine Bombe gelegt hat. Was Kent zugestoßen ist, das geht auch auf meine Kappe. Wenn Joe jemanden tötet, wenn Melissa irgendjemanden tötet, dann geht das auf mich. Das verstehst du, oder?« Er schaut zu Jack, der tot am Boden liegt. »Und das geht auch auf meine Kappe«, sagt er, und Hutton weiß, wohin Schroder blickt. »Tu das nicht, schick mich jetzt nicht weg, bitte, Wilson, ich bitte dich als Freund, tu es nicht.«
Jetzt ist es Hutton, der fünf Sekunden schweigt. Er schaut sich um, ob irgendjemand in der Nähe steht, und offenbar denkt er sich: zum Teufel, was soll’s , denn er zuckt die Achseln, schüttelt den Kopf in einer Ich-kann-nicht-glauben-dass-ich-das-tue-Geste und beginnt dann zu nicken.
»In Ordnung, aber rühr ja nichts an.«
»Werde ich nicht.«
»Scheiße«, sagt Hutton. »Wenn die Rollen vertauscht wären, würdest du mich da reinlassen?«
Nein , denkt Schroder, und dann nickt er. Die Rollen waren in der Vergangenheit vertauscht, nicht bei ihm und Hutton, aber bei ihm und Tate, und in diesen Fällen hatte Tate immer Nein statt Ja zu hören bekommen. »Natürlich würde ich das.«
»Ja, klar. Wenn irgendjemand fragt, dann bist du ausschließlich als Zeuge da, das ist alles, und wenn sie mich wegen dieser Sache feuern, dann wirst du eines Tages in einer Badewanne voller Eis aufwachen, und ich werde deine sämtlichen Organe verkauft haben, weil ich das Geld brauche. Außerdem breche ich dir dann auch noch deinen anderen Arm. Komm schon, lass uns gehen, bevor ich meine Meinung ändere.«
Kapitel 71
Meine Tochter heißt Abby. Sie ist einundzwanzig Jahre alt und hat das gute Aussehen ihrer Mutter geerbt, ein Aussehen, wie ich es mir bei einundzwanzigjährigen jungen Frauen wünsche, denen ich in einer menschenleeren Gasse begegne. Abby steht nicht für Abigail, sondern ist die Abkürzung für Accidental Baby , und Melissa und ich wollen ihr diese Geschichte auf der Party zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag erzählen, die morgen stattfindet. Abby hat einen tollen Sinn für Humor, und sie wird den Witz kapieren. Ich liebe sie. Abby hat mein Leben verändert, genauso wie Melissa es getan hat. Sie ist unser einziges Kind. Abby war zwei Monate alt, als ich mich sterilisieren ließ, wobei ich den Eingriff einem Profi überließ, statt es auf direktem Weg zu erledigen und Melissa Hand anlegen zu lassen. Ein Kind war genug.
Meine Mom kommt morgen zur Party. Ebenso wie ihr neuer Ehemann Henry. Walt ist vor ein paar Jahren gestorben. Er wurde von einem Auto überfahren. Ich hatte immer den Verdacht, es sei eher eine Lebensentscheidung gewesen als ein Unfall. Mutter ist jetzt über achtzig.
Mit das Beste daran, eine einundzwanzigjährige Tochter zu haben, sind ihre einundzwanzigjährigen Freundinnen. Jedes Wochenende tummeln sich einige von ihnen in unserem Haus, und jedes Wochenende muss ich meine Hände und Messer unter Kontrolle behalten, aus
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