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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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einundzwanzig«, sage ich.
    »Es sind die Medikamente«, sagt Sally. »Sie machen ihn verwirrt, das ist alles. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.«
    »Erinnerst du dich an unsere Hochzeit?«, frage ich Melissa.
    Sie lächelt mich an, und es ist eine blöde Frage – natürlich erinnert sie sich daran. Warum sollte sie das auch nicht? Es war ein wundervoller Tag, der noch wundervoller dadurch wurde, dass meine Mutter die Termine verwechselt hatte und nicht kommen konnte.
    »Ich liebe dich«, erkläre ich ihr.
    »Du wirst wieder gesund, Joe«, versichert sie mir.
    Ich bin von der Hüfte aufwärts nackt. Meine Kleider liegen auf einem blutigen Haufen am Fußende des Betts. Das ist kein großer Verlust – es ist nur der billige Gefängnisanzug, den der Wärter durch einen seiner eigenen ersetzen wird oder durch einen Dreißigdollaranzug aus einem Billigkleiderladen. In mir wächst die Besorgnis, wie real sich dieser Traum anfühlt. Ich beschließe, mich auf Abby zu konzentrieren, was teilweise gelingt und teilweise auch nicht, denn als ich versuche, mich an ihre Gesichtszüge zu erinnern, sind sie nirgendwo abgespeichert. Was für eine Farbe haben ihre Augen? Was für eine Form hat ihre Nase? Ihre Wangen? Ihr Haar? Dann versuche ich, mich an Mutters neuen Ehemann zu erinnern. Ich versuche, mich an meine Sitzungen mit Ben son Barlow zu erinnern und an Walts Begräbnis, aber vielleicht bin ich da gar nicht hingegangen. Der Nachbar mit dem Kühlschrank, wie war noch mal sein Name? Und was hat Schroder getan, für das er eingesperrt wurde?
    Es ist nur ein schlechter Traum. Das ist alles. So wie der schlechte Traum, den ich hatte, nachdem mir mein Hoden entfernt worden war.
    Trotzdem lasse ich mich darauf ein. Ich bleibe bei dem Traum und warte ab, wohin er mich führt. Allerdings gäbe es da ein gewisses Warnsignal – wenn ich denn nach einem suchen würde, was ich nicht tue –, denn warum sollte ich, bei all den Leuten, von denen ich träumen könnte, ausgerechnet von Sally träumen?
    Das kommt mir unwahrscheinlich vor.
    Ich würde niemals von jemandem wie Sally träumen.
    The Sally.
    Niemals.
    Und das, mehr als alles andere, verrät mir, dass dies alles real ist.
    »Du musst unbedingt in ein Krankenhaus, Joe«, sagt Sally.
    Ich blicke mich im Raum um. Es ist Sallys Schlafzimmer. Für sie muss gerade ein absoluter Wunschtraum in Erfüllung gehen. An der Wand prangt ein Poster von einer Blumenvase, aber nirgendwo steht eine echte Blumenvase. Warum hängt sie nicht gleich das Bild eines Fensters auf und lässt dafür die Vorhänge geschlossen? Über einer Kommode befindet sich ein Spiegel, und in seinem Rahmen stecken irgendwelche Familienfotos. Sie verdecken den größten Teil des Spiegels, und vermutlich ist das Absicht, denn so ist die Spiegelfläche kleiner und das Risiko geringer, dass sich Sally selbst darin erblickt.
    »Es tut weh«, erkläre ich ihr, und das ist vermutlich das ehrlichste, was ich je zu ihr gesagt habe.
    »Es ist ein glatter Durchschuss«, sagt Sally. »Dabei wurden Muskeln und Sehnen verletzt. Ich habe die Blutung ge stoppt, und vorläufig besteht keine Lebensgefahr. Außerdem habe ich die Wunde gereinigt, aber sie wird sich infizieren, und vermutlich wirst du deine Schulter nie wieder richtig benutzen können.«
    Ich schüttle den Kopf bei der Vorstellung, dass meine Schulter sich verkrampft, während ich gerade mit meinem Messer schlitz-schlitz-schlitz mache. »Bring die Schulter in Ordnung«, erkläre ich ihr.
    »Du musst operiert werden. Das heilt nicht von selbst«, sagt sie.
    »Dann operier mich eben.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Dann finde jemanden, der das kann.«
    Melissa tritt vom Fenster in den Raum hinein. Sie blickt auf mich herab, und auf einmal wirkt sie besorgt. »Ich denke, Sally meint damit, dass sie alles getan hat, was in ihrer Macht steht. Ist das richtig?«, fragt sie und blickt zu Sally hinüber.
    Sally nickt. »Trotzdem sollten Sie ihn in ein Krankenhaus bringen. Wenn Sie nicht wollen, dass sich die Wunde infiziert, und er eine Chance haben soll, den Arm irgendwann wieder ungehindert zu benutzen, dann müssen Sie ihn dorthin bringen.«
    Melissa nickt. »Das ist lustig«, sagt sie, »denn allem, was du da redest, und allem, was ich von dir höre, entnehme ich, dass wir dich nicht mehr brauchen können«, sagt sie, hebt ihre Hand, in der sie eine Pistole hält, und richtet diese auf Sally. In dem Moment wird mir klar, dass sich Melissa nicht im Geringsten verändert hat und

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