Opferzeit: Thriller (German Edition)
vorhin bei Barlow. Es ist dieses breite Grinsen, bei dem man alle Zähne sehen kann, und wenn ich mich nicht beherrsche, breche ich mir noch den Kiefer. Meine Narbe tut weh, während sie sich um das Grinsen herumschiebt und vergeblich nach einer bequemen Position sucht, aber die Schmerzen machen mir nichts aus. Nicht jetzt. Ich komme wieder nach Hause. Ich erhalte die Gelegenheit, mit dem wei terzumachen, was ich liebe. Die Gelegenheit , einen neuen Goldfisch zu kaufen. Ein paar hübsche scharfe Messer. Einen echt coolen Aktenkoffer.
Adam wirft Glen einen Blick zu, dann fängt er an zu lachen, die Muskeln in seinem Nacken spannen sein Hemd, und Glen stimmt in sein Gelächter ein. Zwei Sekunden lang schauen sie einander an, dann sehen beide zu mir. »Scheiße, war das klasse«, sagt Adam und schaut mich an, während er mit seinem Lover redet. »Hast du sein Gesicht gesehen?«
»Ich hätte nicht gedacht, dass es klappt«, sagt Glen. »Ehrlich nicht. O Mann, du hattest absolut recht.«
»Ich hab’s dir doch gesagt«, erwidert Adam. »Ich hab dir doch gesagt, dass er viel dümmer ist, als alle glauben.«
»Was?«, frage ich, aber natürlich weiß ich, was los ist. Sie haben mir einen Streich gespielt. In einer perfekten Welt würde ich diese Typen jetzt erstechen, weil sie mich zum Narren gehalten haben. Aber dies ist keine perfekte Welt – was man an meiner Umgebung und dem fehlenden Messer erkennen kann. Ich spiele ihr Spielchen mit – andernfalls würde ich ihnen verraten, wer ich wirklich bin.
»Er hat’s immer noch nicht kapiert«, sagt Glen mit erhobener Stimme und versucht, ein Lachen zu unterdrücken. Er scheint ganz versessen, ja, begierig darauf, sein Sprüchlein an den Mann zu bringen. Was auch immer das sein mag. »Glaubst du etwa, dass du je wieder hier rauskommst?«, fragt er mich. »Komm schon, Arschloch, da ist jemand, der dich sehen will.«
Ich mache einen Schritt auf sie zu. »Soll ich … soll ich meine Bücher mitnehmen?«, frage ich. Mann, bin ich gut. So was von gut.
»Verdammt«, sagt Adam und bricht erneut in Gelächter aus. »Verdammt, er hat es immer noch nicht kapiert!«
»Stell dich nicht so blöd an, du Spinner. Gehen wir«, sagt Glen und packt mich am Arm. In seiner Stimme liegt jetzt ein drohender Unterton, verschwunden ist der begierige, versessene Tonfall. Er ist genervt. Er klingt, als würde er damit rechnen, dass ich Dummheiten mache oder vielmehr, als würde er sich wünschen, dass ich Dummheiten mache, damit sie herausfinden können, ob man den Schädel eines Mannes zwischen Unterarm und Bizeps zerquetschen kann.
»Ich … ich darf nicht nach Hause?«
»Du bist echt zum Schießen«, sagt Adam, und Glen findet das auch.
Sie bringen mich in einen Raum, der genauso aussieht wie der, in dem ich vorhin mit dem Seelenklempner gesprochen habe. Ich setze mich hinter den Tisch, und diesmal legen sie mir keine Handschellen an. Ich weiß, was das zu bedeuten hat. Das bedeutet, ich werde mit jemandem reden, der in der Lage ist, mir die Seele aus dem Leib zu prügeln. Die Wärter verlassen das Zimmer. Ich erhebe mich und fange an, auf und ab zu gehen. Im Knast stehen mir zwei grundlegende Wahlmöglichkeiten offen – ich kann mich setzen und nichts tun oder im Zimmer auf und ab gehen. Ich betrachte die Betonsteinwände. Tolle Architektur. Absolut zeitlos. Ich strecke die Hand aus und berühre den Stein. Die Gefängnisse überall auf der Welt werden auch im nächsten Jahrhundert solche Wände haben, Wände wie im Jahrhundert zuvor. Ich bezweifle, dass sich in tausend Jahren an der Bauweise etwas geändert haben wird. In diesem Moment öffnet sich die Tür. Carl Schroder betritt das Zimmer. Er ist klitschnass. Wenn ich in meine Zelle zurückkehre, werde ich die Jungs, die sich ständig übers Wetter unterhalten, auf den neuesten Stand bringen.
»Nimm Platz, Joe«, sagt Schroder.
Und ich nehme Platz. Er legt sein Jackett ab und hängt es über die Rückenlehne des Stuhls. Die Vorderseite seines Hemds ist nass und der Kragen auch, die Ärmel dagegen scheinen größtenteils trocken zu sein. Er krempelt sie hoch. Dann fährt er sich mit der Hand durchs Haar und schüttelt das Wasser von den Fingern. Seine Haare sind länger als bei unserer letzten Begegnung, der Pony ist gewachsen und klebt an seiner Stirn. Er wischt sich einen Regentropfen von der Nase. Dann setzt er sich. Er hat nichts dabei. Nur sein Jackett. Brieftasche, Schlüssel und Handy liegen wahrschein lich irgendwo draußen
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