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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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vollzieht. Sie erzeugen Lebensmittel, produzieren Milch, verdienen Geld und fahren mit dem Traktor umher, während es unaufhörlich regnet. Die Grünstreifen am Straßenrand sind überflutet. Kleine Sträucher stehen unter Wasser. Vögel flattern darin herum. Die Scheibenwischer haben Mühe, mit den Wassermassen Schritt zu halten. Alle paar Kilometer steht ein Warnschild mit der Mahnung, nicht zu schnell zu fahren oder überhaupt nicht, wenn man müde oder betrunken ist. Auf einem steht Je schneller Sie fahren, desto größer der Schlamassel . Superman wäre da anderer Meinung. Je schneller er ist, desto mehr Menschen rettet er. Einmal war er so schnell, dass er in der Zeit zurückgereist ist und einen Riesenschlamassel behoben hat, bevor er überhaupt passiert ist. Christchurch braucht jemanden wie ihn.
    Ein Lkw, der Schroder entgegenkommt, fährt durch einen überfluteten Straßenabschnitt, sodass mehr Wasser über seine Windschutzscheibe spritzt, als die Scheibenwischer auf einmal bewältigen können, und für zwei Sekunden kann Schroder nicht das Geringste sehen, beängstigende zwei Sekunden, wenn man blind eine Schnellstraße entlangfährt. Er steigt mit dem Fuß auf die Bremse und tritt sie langsam nach unten, bis man durch die Windschutzscheibe wieder etwas erkennen kann. Der Ausblick hat sich nicht verändert. Da ist nur noch mehr Regen, noch mehr grauer Himmel.
    Er hat das Radio eingeschaltet. Eine Sendung mit Hörerbeteiligung. Man kann dort anrufen, und der Moderator unterhält sich mit einem. Über aktuelle Themen, und das aktuelle Thema, über das die Hörer sprechen wollen, ist die Todesstrafe. Die Diskussion läuft bereits seit ein paar Monaten. Im ganzen Land. Ein Teil der Leute ist dafür. Ein Teil dagegen. Die Emotionen kochen hoch. Die Befürworter hassen die Gegner – und umgekehrt. Es gibt keine Zwischenposition. Niemand kann sich da raushalten. Die Leute haben kein Verständnis für den Standpunkt des jeweils anderen. Die Diskussion spaltet das Land, spaltet Nachbarn, Familien und Freunde. Schroder ist dafür. Er hat kein Problem damit, den Mördern ein wenig von dem Schmerz zuzufügen, den sie über die Stadt gebracht haben. Die Hälfte der Leute, die im Sender anrufen, teilt seine Meinung. Die andere Hälfte nicht. So oder so, sie wollen gehört werden.
    »Es geht dabei nicht um Gerechtigkeit«, sagt jemand, ein Typ namens Stewart, der aus Auckland anruft, wo, wie er sagt, Regenfälle von alttestamentarischen Ausmaßen niederprasseln. »Es geht dabei um Strafe«, sagt er, was eben falls ziemlich alttestamentarisch ist, wenn man es recht bedenkt.
    Zum Gefängnis braucht man mit dem Wagen zwanzig Minuten, bei diesem Wetter sind es jedoch fünfunddreißig. Schroder hört ein Dutzend verschiedener Standpunkte. Der Moderator versucht dabei, neutral zu bleiben. Schroder könnte jetzt noch sechs weitere Sender mit derselben Diskussion einstellen. Die gute Nachricht ist, dass es eine Volksbefragung geben wird. Eine Abstimmung. Zum ersten Mal, soweit Schroder sich erinnern kann, wird die Regierung auf die Bevölkerung hören. Zumindest behauptet sie das – schließlich ist Wahljahr. Die wichtigste Frage an den Premierminister und seine Herausforderer ist die: Wird die nächste Regierung dem Willen des Volkes folgen? Die Antwort lautet Ja. Das bedeutet, dass genau genommen Ende des Jahres die Todesstrafe wieder eingeführt werden könnte, sollte es eine Mehrheit dafür geben. Schroder fragt sich, in welche Richtung sich das Land dann entwickeln wird. Zurück ins finsterste Mittelalter? Oder in eine Zukunft, in der nicht mehr so viele Menschen gewaltsam sterben?
    Schwer zu sagen.
    Aber wie auch immer die Abstimmung ausgeht, er wird nichts daran ändern können.
    Schroder schaltet das Radio aus. Die nächste Woche, wenn Joe Middletons Prozess beginnt, wird der reinste Albtraum werden. Er hat gerüchteweise gehört, dass die Anklage die Todesstrafe fordern wird, sollte sie tatsächlich wieder ein geführt werden. Dann werden vor dem Gerichtsgebäude Leute aufmarschieren. Mit Transparenten. Für die Todesstrafe. Gegen die Todesstrafe. Für Opferrechte. Und für Menschenrechte.
    Zur Linken taucht das Gefängnis auf. Schroder drosselt das Tempo und biegt auf die Ausfahrt, worauf ihm ein Lkw mit erhöhter Geschwindigkeit fast hinten drauffährt. Eine Minute später kommt er an einen Wachposten. Er zeigt einem Wachmann, der so viel Humor hat wie ein Tumor, seinen Ausweis. Weiter geradeaus befindet sich der

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