Opferzeit: Thriller (German Edition)
Gesicht ist überall Blut und auch ihr Haar ist blutverkrustet. Ein Schlag auf den Schädel mit einem stumpfen Gegenstand. Schroder hat so etwas schon häufig genug gesehen, um sich ein Urteil über ihren Zustand bilden zu können, und er weiß, selbst wenn sie überlebt, kann sie schwere Folgeschäden davontragen. Bei dem zweiten Sanitäter sind keine Spuren von Gewalteinwirkung zu entdecken. Er sieht aus, als wäre er einfach eingeschlafen. Dr. Leichenwagen beginnt, die Frau in Richtung jener Tür zu schieben, aus der sie gerade gekommen sind. Er hat sie fast erreicht, als sie auffliegt und vier Ärzte auf den Parkplatz gerannt kommen. Zwei von ihnen übernehmen die Transportliege mit Trish, die anderen beiden kommen mit Dr. Hearse und einer weiteren Liege zurück zum Rettungswagen. Nun wird auch das zweite Opfer auf die Liege gelegt, und dann sind Dr. Hearse und Schroder für einen Moment allein.
»Sie suchen nach der Person, die das getan hat, richtig?«, fragt der Arzt.
»Ja.«
Dr. Hearse nickt. »Ich selbst darf das nicht machen, aber sehen Sie diese kleine Plastikschublade da oben?« Er nickt in Richtung eines Regals mit lauter kleinen Schubladen an der Seitenwand des Rettungswagens. »Die mit dem grünen Griff?«
»Ich sehe sie.«
»Da drin finden Sie etwas für Ihren Arm. Es wird Ihnen ein paar Stunden Ruhe verschaffen. Sie werden auch sonst nicht mehr viel spüren, aber wenigstens haben Sie dann auch keine Schmerzen mehr.«
Dann rennt er seinen Kollegen hinterher, während Schroder in den Rettungswagen klettert und die Schublade mit dem grünen Griff öffnet. Darin liegen ein halbes Dutzend identischer Spritzen, alle mit derselben klaren Flüssigkeit gefüllt. Er verwendet die Zähne, um die Schutzkappe abzuziehen, dann rammt er sich die Nadel in den Arm. Er hat keine Ahnung, was in der Spritze ist, aber als er die Kappe wieder zurück auf die Nadel schiebt und die leere Spritze auf den Boden schmeißt, beginnt sich der Schmerz bereits aufzulösen. Er nimmt eine zweite Spritze heraus und lässt sie in seine Tasche gleiten. Dann denkt er, was soll’s, und schnappt sich eine dritte. Er klettert wieder nach draußen, genau in dem Moment, als Hutton am Wagen zurück ist.
»Ich hab die AOS abbestellt«, erklärt er, »aber die Forensiker sind auf dem Weg.«
»Schau dir das an«, sagt Schroder und deutet auf einen blutigen Abdruck an der Wand.
»Stammt nicht von der Sanitäterin«, sagt Hutton. »Passt nicht zu den anderen Blutspritzern.«
»Er stammt von Joe. Er hat hier gesessen und sich gegen die Wand gelehnt. Es gibt eine Spur von Blutstropfen, die aus dem Rettungswagen führt, und hier sind auch welche«, sagt er und deutet auf den Boden. »Melissa hat das Fahrzeug gewechselt.«
»Vermutlich hatte sie hier einen Wagen bereitgestellt, um keinen stehlen zu müssen«, sagt Hutton.
»Genau. Das war schneller und einfacher«, sagt Schroder. Er schaut sich auf dem Parkplatz um. »Keine Kameras«, sagt er.
Hutton schüttelt den Kopf. »Da liegst du falsch«, sagt er. »Das gehört zu den Renovierungsmaßnahmen. Über sämtlichen Eingängen werden Kameras installiert und bald auch auf dem Parkplatz.«
»Bald nützt uns aber leider nichts«.
»Das ist richtig, aber vielleicht nützt uns die Kamera am Eingang dort«, sagt Hutton und deutet auf den Besuchereingang. »Eigentlich ist sie nur dazu da, um die Ein- und Ausgehenden zu kontrollieren, aber sie zeigt auch in Richtung Parkplatz. Vielleicht haben wir Glück …«
Glück. Er fragt sich, wie dieses Wort wohl definiert ist. Joe hat Glück gehabt, weil er entkommen ist. Schroder hat Glück gehabt, dass er es rechtzeitig aus seinem Wagen geschafft hat, bevor er explodierte. Das bedeutet, dass es einen Ausgleich geben muss. Für jeden Moment des Glücks gibt es einen Moment des Unglücks, so ist das in Christchurch. Glück für Joe und Melissa, Pech für Rebecca, Jack und auch für Raphael.
»Lass uns nachschauen.«
»Hör zu, Carl …«, beginnt Hutton.
»Hey, pass auf, das dort ist ein Krankenhaus, und das hier ist ein gebrochener Arm«, sagt er, »und das bedeutet, dass ich da ohnehin wieder reingehe. Und du genauso – es gibt also keinen Grund, warum wir nicht beide zusammen reingehen sollten.«
»Carl …«
»Du hast mich so weit kommen lassen, Wilson. Es gibt keinen Grund, ausgerechnet jetzt damit aufzuhören. Ich bitte dich einfach nur darum, einen Blick auf das Sicherheitsvideo werfen zu können, mehr nicht. Auch das führt ja vielleicht
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