Opferzeit: Thriller (German Edition)
hier«, erklärt ihm Dr. Hearse. »Wir machen gleich ein Röntgenbild von Ihrem Arm, und dann schauen wir weiter.«
»Ich wüsste gerne, wie es Detective Kent geht«, sagt Schroder und spürt in sich eine Ungeduld, als müsse er dringend irgendetwas unternehmen, um Joe aufzuspüren, ohne aber genau zu wissen, was.
Der Arzt nickt kurz. »Warten Sie hier«, wiederholt er, »ich werde sehen, was ich tun kann.«
Schroder ist kaum eine Minute allein, da klingelt sein Handy. Er greift in seine Tasche. Das Display ist bei der Ex plosion zersplittert, daher erkennt er nicht, wer dran ist. Ihm fällt ein, dass er seine Frau immer noch nicht angerufen hat. Sicher hat sie die Nachrichten gehört und macht sich große Sorgen um ihn.
»Detective Schroder«, sagt er, und der Dienstgrad entschlüpft ihm, noch bevor es ihm bewusst wird. In diesem Moment fühlt er sich einfach wie ein Polizist.
»Carl, hier ist Hutton«, sagt Hutton, der das mit dem Detective entweder geflissentlich überhört oder es gar nicht mitbekommen hat. »Hör zu, ich hab hier was.«
»Wo?«
»Wir treffen uns draußen auf dem Parkplatz, und beeil dich.«
Kapitel 73
Sally schnappt nach Luft, als sie die Pistole sieht.
»Joe«, sagt Melissa, »ich hab sie extra am Leben gelassen, damit du sie töten kannst, als eine Art Geschenk.«
»Wie ein Geschenk zum Einzug«, sage ich, aber ich bin mir nicht sicher, warum ich das sage, denn so ein tolles Einzugsgeschenk ist Sally nun auch nicht, außerdem ist es ja nicht so, dass Melissa und ich hier einziehen. Oder etwa doch? »Ziehen wir hier ein?«, frage ich.
»Nein«, sagt Melissa.
Sally ist zur Wand zurückgewichen. Ihre Handinnenflächen zeigen nach außen und befinden sich auf der Höhe ihrer Schultern. Sie trägt ihre Armbanduhr verkehrt herum, sodass das Ziffernblatt die Unterseite ihres Handgelenks bedeckt. Ich kann darauf die Zeit erkennen. Außerdem sehe ich einen Wecker auf dem Nachttisch, und der geht im Vergleich zur Armbanduhr zwei Minuten vor, und plötzlich weiß ich, warum alles so verdreht wirkt – ich befinde mich zwei Minuten in der Zukunft, und das bringt mein geistiges Gleichgewicht durcheinander. Außerdem bedeutet das, was für ein Schicksal Sally auch immer blüht, es ist bereits geschehen, und ich schaue nun einfach nur noch zu, wie es sich entfaltet.
»Also, wie willst du’s tun?«, fragt mich Melissa, und ihre Frage durchdringt die Zeitbarriere.
»Ich weiß nicht«, antworte ich.
»Bitte, bitte tu mir nicht weh«, sagt Sally, und trotz allem, was sie getan hat, sehe ich auch keine Notwendigkeit dazu.
Aber natürlich bedeutet, keine Notwendigkeit zu sehen, nicht dasselbe wie sie freizulassen.
»Erschieß sie einfach«, sage ich, denn ich möchte diesen Ort mit seinen fragmentierten Zeitzonen wieder verlassen, und, Hand aufs Herz, ich möchte es auch nicht wirklich selbst tun.
»Bitte, Joe«, sagt Sally. »Ich will nicht sterben. Ich war immer gut zu dir. Ich weiß, ich hab dich nie im Gefängnis besucht, aber wie denn auch, nach allem, was du getan hast?«
»Tut mir leid, Sally«, sage ich, und die Wahrheit ist, es tut mir wirklich leid.
»Ich hab dir Bücher gebracht«, sagt sie.
»Was?«, sage ich und bedeute Melissa mit erhobener Hand zu warten, falls sie bereits den Abzug drücken will.
»Ich habe sie dir nicht selbst gebracht, sondern sie deiner Mutter gegeben, damit sie sie an dich weiterleitet. Liebesromane. Ich hab mich daran erinnert, wie sehr du sie mochtest. Daher habe ich sie deiner Mutter gegeben. Ich war gut zu dir, Joe, trotz der ganzen schlimmen Sachen, die du getan hast. Bitte tu mir nichts.«
Melissa blickt mich ratsuchend an, und mir wird klar, dass sich das alles real vor mir abspielt und es kein Traum ist, keine Zeitverschiebung. Sally hat meiner Mutter diese Bücher gegeben, nicht Melissa.
»Das war deine Nachricht?«, frage ich. »Du warst es, die mir bei der Flucht helfen wollte?«
Melissa blickt verdutzt, ebenso wie Sally. »Flucht?«, fragt Melissa und wendet sich Sally zu. »Du wolltest ihm zur Flucht verhelfen?«
Sally antwortet nicht, also tue ich es für sie. »In den Büchern befand sich eine Nachricht«, sage ich. »Sie wollte, dass ich den Cops zeige, wo Detective Calhoun begraben ist, damit sie mir zur Flucht verhelfen kann, nur hat meine Mutter mir die Bücher nicht rechtzeitig gegeben und … und … und ich dachte, sie wären von dir. Warum schaust du mich so an?«, frage ich Melissa.
»Du stehst unter Medikamenteneinfluss«,
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