Opferzeit: Thriller (German Edition)
nicht richtig reinkriegt.
»Ich brauche keine vierundzwanzig Stunden«, erkläre ich ihm. »Ich bin unschuldig, die Jury wird das er kennen.«
»Joe …«
»Sie können einen Mann nicht verurteilen, nur weil er krank ist, und das war ich. Ich war krank. Das ist nicht richtig. Das verstößt bestimmt gegen die Menschenrechte. Es muss noch andere Möglichkeiten geben.«
»Die gibt es nicht, Joe. Sie haben sich fast aller Möglichkeiten beraubt, als man Sie mit der Pistole geschnappt hat, und dazu kommt noch dieses Video in Ihrer Wohnung. Der Prozess ist nur eine Inszenierung, Joe. Es wurden zwar noch keine Geschworenen berufen, aber das Urteil steht bereits fest. Und zwar für die ganze Welt. Wenn Sie den Deal ausschlagen, werden Sie in einem Jahr vielleicht hängen.«
»Lieber das als lebenslänglich im Knast. Schicken Sie unsere Seelenklempner vorbei. Sollen die mich testen. Vor Gericht können sie dann widerlegen, was Benson Barlow über mich erzählen wird.«
»Hören Sie, Joe, zum letzten Mal, ich sage Ihnen, das wird nicht klappen.«
»Ich will den Deal nicht.«
»Schön«, sagt er und steht auf.
»Sonst noch was?«, frage ich ihn.
»Wie zum Beispiel?«
»Keine Ahnung. Vielleicht was Aufmunterndes. Offensichtlich haben Sie immer nur schlechte Neuigkeiten für mich. Offensichtlich wollen Sie mich einfach nur runterziehen.«
»Ich werde die Staatsanwaltschaft wissen lassen, dass Sie den Deal ausschlagen«, sagt er. Dann wirft er einen Blick auf seine Uhr. »Morgen um neun haben Sie ein Gespräch mit unserer Psychiaterin«, sagt er, als hätte ich die Uhrzeit vergessen. »Verbocken Sie’s nicht.«
»Werd ich nicht.«
»Wir werden sehen«, sagt er, klopft an die Tür und verlässt den Raum.
Kapitel 9
Melissa parkt direkt vor dem Haus und starrt für zwei Minuten auf die Eingangstür, während sie ihre Gedanken ordnet. Es ist ein typisches Haus in einer typischen Mittelklassegegend. Zwanzig, dreißig Jahre alt. Im Gegensatz zu den Nachbargrundstücken ist der Garten ein wenig überwuchert. Ordentlich, freundlich, wohnlich, langweilig. Sie hat die Scheibenwischer ausgeschaltet, und als sich erneut Regen auf der Windschutzscheibe sammelt, verschwimmt die Aussicht. Sie hat sich unterwegs überlegt, was sie sagen will, jetzt muss sie nur noch herausfinden, ob es klappt.
Sie betrachtet den Fettanzug und fragt sich, ob es sich lohnt, ihn anzuziehen. Sie entscheidet sich dafür. Statt der roten Perücke nimmt sie eine blonde. Sie steigt aus dem Wagen und rennt mit einer Zeitung, die sie sich über den Kopf hält, zur Haustür. Sie weiß nicht, ob er öffnen wird, ob überhaupt jemand zu Hause ist – schließlich ist es erst ein Uhr mittags. Nach zwanzig Sekunden klopft sie erneut, dann ertönen Schritte und das Klirren einer Türkette.
Die Tür wird geöffnet. Von einem Mann Ende dreißig. Er hat schwarzes Haar und leichte Geheimratsecken. Die Bartstoppeln in seinem Gesicht sind auf den Wangen schwarz und am Kinn grau. Sie kann Kaffeeduft riechen. Seine Haut ist hellweiß, als wäre er diesen Sommer über, den letzten und auch den davor, nicht ein einziges Mal vor die Tür gekommen. Er trägt ein rotes Hemd, das über seine blaue Jeans hängt, und ein Paar billige Schuhe. Sie kann es nicht leiden, wenn jemand billige Schuhe trägt. Das hat keine Klasse. Und schon denkt sie, dass die Aktion hier eine schlechte Idee war.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragt er.
»Mr. Walker«, sagt sie, und das ist keine Frage, sondern eine Feststellung, denn sie hat Walkers Foto in Schroders Akte gesehen.
»Sind Sie Reporterin?«, fragt er, »denn dann können Sie sich gleich wieder verpissen.«
»Stinke ich etwa so, als hätte ich auf der Suche nach Infoschnipseln gerade Ihren Müll durchwühlt?«
»Nein …«
»Dann bin ich auch keine Reporterin«, sagt sie.
»Wer sind Sie dann?«
»Ich bin eine Frau, die Ihnen ein Jobangebot machen will.«
Er macht einen verwirrten Eindruck, und das war auch so vorgesehen. »Was für ein Angebot?«
»Darf ich reinkommen?«, fragt sie. »Bitte, es ist wichtig, es dauert nur ein paar Minuten, und ich habe keine Lust, noch länger im Regen zu stehen, außerdem tun meine Füße weh.«
Er mustert sie von oben bis unten, und jetzt scheint er endlich zu bemerken, dass sie schwanger ist. »Verkaufen Sie irgendwas?«
»Ich verkaufe Ihnen die Möglichkeit, wie ein Baby zu schlafen«, sagt sie.
»Ha. Dann verkaufen Sie wohl eine Art Wunderpille«, sagt er.
»Kann man so sagen.«
»Eine
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