Opferzeit: Thriller (German Edition)
lieber erst die guten hören.«
»Äh … da haben Sie mich falsch verstanden, Joe«, sagt er. »Ich habe schlechte Neuigkeiten, und noch schlechtere.«
»Dann erst die schlechten Neuigkeiten.«
»Die Staatsanwaltschaft bietet Ihnen einen Deal an.«
»Das sind gute Neuigkeiten«, erkläre ich ihm. »Lassen die mich gehen?«
»Nein, Joe, das tun sie nicht. Aber um die Sache zu beschleunigen, um Steuergelder zu sparen und um zu vermeiden, dass der Prozess zu einer Showveranstaltung ausartet, bietet Ihnen die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe ohne Bewährung an. Sie will verhindern, dass die Straßen voller Leute sind, die für oder gegen die Todesstrafe demonstrieren.«
»Todesstrafe? Das kapier ich nicht«, sage ich, aber ich fürchte, ich tu’s doch.
»Das sind die schlechten Neuigkeiten, zu den schlechteren komme ich gleich.«
»Nein, nein, jetzt sofort«, sage ich und will mit meinen Händen herumfuchteln, doch ich kann nicht. »Wovon reden Sie?«
»Ich habe gesagt, ich komme gleich dazu, Joe. Es gibt noch mehr schlechte Neuigkeiten. Es gibt ein kleines Problem mit dem Plädoyer auf Unzurechnungsfähigkeit.«
»Was für ein Problem?«, frage ich.
»Benson Barlow.«
»Wer ist das?«
»Der Psychiater, den die Staatsanwaltschaft hergeschickt hat, um mit Ihnen zu reden. Er hat zwar noch keinen offiziellen Bericht vorgelegt, aber man hat mich bereits vorgewarnt, dass er Sie stark belasten wird. Er kommt mehr oder weniger zu dem Ergebnis, dass Sie alles nur vortäuschen.«
»Damit steht sein Wort gegen meins.«
»Tja, Joe, wir können zwar vor Gericht Einspruch dagegen erheben, aber ich halte das für ziemlich aussichtslos. Barlow ist ein hoch angesehener Psychiater, Sie dagegen sind ein viel geschmähter Serienmörder. Was glauben Sie, wessen Wort hat mehr Gewicht?«
»Meins«, sage ich. »Niemand mag Psychiater. Niemand.«
»Ich weiß, dass wir auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren wollen«, sagt er, »aber die Sache ist die, Joe, und ich habe Ihnen das von Anfang an gesagt – das ist keine Erfolg versprechende Strategie. Sie haben diese Frauen so lange ermordet, ohne erwischt zu werden, da können Sie nur zurechnungsfähig sein.«
Schroder hat etwas Ähnliches gesagt. »Warum kann ich mich dann an nichts mehr erinnern?«, frage ich, obwohl ich mich an jede einzelne Frau erinnern kann, das Entsetzen in ihrem Gesicht, das Blut, den Sex. Vor allem an den Sex kann ich mich erinnern. Das waren schöne Zeiten. »Sie reden, als würden Sie mich für schuldig halten«, sage ich. »Trotzdem, ich will meinen Prozess. Aber was hat es mit der Todesstrafe auf sich, von der Sie gesprochen haben?«
Er rückt seine Krawatte zurecht, und mir fällt ein, dass ich bei all den Möglichkeiten, einen Menschen zu töten, nie versucht habe, jemanden mit einer Krawatte zu erwürgen. Ich werde es auf meine Liste mit den Dingen setzen, die ich vor meinem Tod noch tun möchte. »Die Sache sieht so aus, Joe. Seit Ihrer Verhaftung hat sich da draußen einiges verändert. In gewisser Weise sind Sie der Anlass dafür. Es gefällt den Leuten nicht, wie Christchurch sich entwickelt hat, und Sie sind zum, na ja, Sie sind zum Inbegriff dieser Entwicklung geworden. Die Leute fragen sich, wie alles angefangen hat, und sie geben Ihnen die Schuld. Es wird eine Volksbefragung geben. Die Regierung gibt neun Millionen an Steuergeldern aus, um zu erfahren, ob die Bürger die Todesstrafe wieder einführen wollen oder nicht.«
Ich stoße fast verächtlich Luft durch meine Nase aus. Ich habe es in den Nachrichten gesehen, aber dabei wird nichts herauskommen. Das ist Schwachsinn.
»Sie schicken an jeden Wähler einen Stimmzettel. Die Bürger wollen dazu gehört werden, Joe, und jeder über achtzehn bekommt die Chance, sich zu äußern. Und ich will ehrlich zu Ihnen sein: Der allgemeinen Stimmung nach zu urteilen, sind das keine guten Neuigkeiten für Sie. Darum bietet uns die Staatsanwaltschaft einen Deal an. Wenn Sie sich jetzt schuldig bekennen und akzeptieren, dass Sie nie wieder aus dem Gefängnis …«
»Aber ich bin unschuldig!«
»… kommen. Andernfalls wird sie die Todesstrafe fordern.«
»Aber die Volksbefragung …«
»Haben Sie je die Bibel gelesen, Joe?«
»Nur die Rezepte im Anhang.«
»Auge um Auge«, sagt er und ignoriert meine Antwort. »Darauf läuft die Befragung hinaus. Es wird eine Mehrheit dafür geben, das können Sie mir glauben. Und wenn es eine Mehrheit dafür gibt, dann werden Sie
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