Opferzeit: Thriller (German Edition)
Wollen Sie ihn nächste Woche im Gerichtssaal erschießen?«
»Auch nicht. Einfacher. Ich habe bereits ein Gewehr.«
»Hören Sie …«
»Halt«, sagt sie und hebt die Hand. »Sie wollen doch, dass er für seine Taten mit dem Tod bezahlt, oder?«
Ohne zu zögern antwortet er: »Sicher.«
»Und wollen Sie nicht derjenige sein, der dafür sorgt?«
»Ja.«
»Das kann ich Ihnen geben. Ich gebe Ihnen die Chance, ihn leiden zu lassen«, sagt sie, »und das hier.« Sie öffnet den Aktenkoffer und dreht ihn zu ihm um.
»Wie viel ist das?«, fragt er.
»Zehntausend Dollar.«
»So viel ist es wert? Jemanden zu töten?«
»Es ist nur Geld«, sagt sie. »Der wahre Lohn ist die Genugtuung. Er hat Ihre Frau ermordet«, sagt sie. »Er ist in Ihr Haus eingebrochen, und er hat ihr die Kleider vom Leib gerissen und …«
»Halt«, sagt er und hebt die Hand. »Halt. Ich weiß, was er getan hat.«
»Spüren Sie es nicht auch?«, fragt sie. »Es ist wie ein Feuer. Es jagt durch Ihren Körper, dieses Feuer, dieses Bedürfnis, dieses Verlangen nach Rache. Das in Ihrem Innern brennt. Das Sie mit seinen bösen Gedanken nachts nicht schlafen lässt. Es bestimmt Ihr ganzes Leben, zerstört es, und es wird nicht besser.«
»Ja«, sagt er. »Natürlich, spüre ich es.«
»Ich wache nachts schwitzend und zitternd auf, und alles, woran ich denken kann, ist, dass ich ihn töten will. Und das können wir.«, sagt sie. »Zusammen können wir es schaffen, und niemand wird wissen, dass wir es waren.«
Er schüttelt den Kopf. »Ich hasse ihn wirklich, aber ich will seinetwegen nicht mein Leben ruinieren. Wenn die Sache schiefläuft, wandern wir beide in den Knast.«
»Es wird nicht schiefgehen«, sagt sie, aber zu spät – sie versucht zu sehr, ihn zu überzeugen, und das wollte sie erst gar nicht anfangen. Sie wollte, dass er aus freien Stücken mitmacht. Sie wollte hierherkommen und sagen: Ich möchte Joe Middleton erschießen, und sie wollte, dass er darauf antwortet: Ich bin dabei – wie machen wir’s –, egal wie dein Plan aussieht, ich werde ihn in die Tat umsetzen. Vielleicht war ihr erster Gedanke der beste: Jemanden dafür zu bezahlen. Aber sie dachte, es könnte ein Vorteil sein, jemanden, der trauert, den Job erledigen zu lassen. Auf diese Weise kann sie das Gewehr und den Plan beisteuern und hat mehr Kontrolle. Sie fürchtet, dass sie aus ihrem Zweipersonenplan einen Einpersonen plan machen muss – nur dass sie keinen Einpersonenplan hat.
»Wollen Sie keine Rache?«, fragt sie.
»Doch, natürlich. Aber nicht so sehr, dass ich eine Haftstra fe riskiere. Tut mir leid. Ich habe immer noch eine Familie.«
»Sie werden mir also nicht helfen.«
Er schüttelt den Kopf.
Sie schließt den Aktenkoffer, steht auf und reibt sich den Bauch. »Ach, bevor ich gehe, Sie haben da eben was von einer Gruppentherapie gesagt.«
»Glauben Sie, Sie finden da jemanden, der Ihnen hilft?«
»Einen Versuch ist es wert.«
»Die Gruppe trifft sich jeden Donnerstagabend.«
»Donnerstag?«
»Ja. Heute. Es sind lauter Familienangehörige und Freunde von Mordopfern. Ich bin noch nicht da gewesen, aber nach dem, was ich gehört habe, nehmen auch eine Menge Leute daran teil, denen der Schlächter Leid zugefügt hat. Dort haben Sie reichlich Auswahl. Sie werden da so viele Freiwillige finden, dass Sie losen können.«
»Wo und wann?«
»Halb acht«, sagt er. »Sie treffen sich im Gemeinde zentrum.«
»In welchem?«
»Keine Ahnung. Irgendwo in der Stadt.«
»Werden Sie die Polizei verständigen?«
»Scheiße, nein. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Ehrlich. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass jemand diesen kranken Scheißkerl zur Strecke bringt. Nur kann ich es eben nicht selbst machen, tut mir leid.«
Sie geht zur Haustür, er folgt ihr.
Sie muss daran denken, was Joe ihr über diesen Typen erzählt hat, dass er seine Frau geschlagen hat. Es war Detective Calhoun, der herausgefunden hatte, dass Tristan Walker jedes Mal dabei war, wenn seine Frau mal wieder unglücklich mit einer Tür zusammenstieß.
Es gibt nichts Schlimmeres als einen Mann, der seine Frau schlägt.
»Sind Sie sicher, dass Sie mir nicht helfen wollen?«, fragt sie und hebt die feuchte Zeitung auf.
»Ich will einfach nur, dass man mich in Ruhe lässt«, sagt er.
Sie reibt sich den Bauch, tritt auf die Straße und lässt Tristan Walker seine Ruhe, so wie er das wollte.
Kapitel 10
Die Klimaanlage im Fernsehsender hinkt um eine Jahreszeit hinterher, zumindest hat man
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