Opferzeit: Thriller (German Edition)
allerdings genug, um zu wissen, dass er für Jonas Jones nicht von Interesse ist, und auch genug, um zu wissen, was Hutton meinte, als er sagte, dass es eine üble Sache sei. Bei dem Opfer handelt es sich um einen Exhäftling, der eine Haftstrafe wegen Waffenschmuggels abgesessen hat. Die Schmuggelei war eine Sache, aber das, wofür die Waffen benutzt wurden, eine ganz andere. Es war dem Mann egal, wer die Käufer waren, so wie den Käufern die Leute egal waren, die gestorben wären, wenn sie es geschafft hätten, die verschiedenen Sprengsätze zu zünden, die sie am Parlamentsgebäude in der Hauptstadt anbringen wollten. Schroder war sich allerdings nicht sicher, ob es dem Großteil der Bevölkerung etwas ausgemacht hätte, wenn das Land eines Morgens hundert Politiker weniger gehabt hätte. Der Typ, der die Waffen eingeführt hat, hieß Derek Rivers und musste zwölf Jahre hinter schwe dischen Gardinen verbringen. Vor einem Jahr war er aus dem Gefängnis entlassen worden, und heute Morgen hat man ihm zwei Schüsse in die Brust verpasst. Laut Hutton haben Sprengstoffspürhunde den Verdacht bestätigt, dass Rivers kürzlich mit Sprengstoff hantiert hat.
»Im Boden seines Kleiderschranks befand sich ein Loch«, hat Hutton Schroder erzählt. »Darin hat er Waffen und Sprengstoff aufbewahrt. Wir vermuten, dass derjenige, für den er das Zeug besorgt hat, ihn auch erschossen hat. Das heißt, jemand verwischt seine Spuren. Und das heißt …«
»Dass man mit dem Sprengstoff etwas ziemlich Übles vorhat«, hatte Schroder den Satz beendet, bevor sie aufgelegt hatten.
Schroder konnte sich an Rivers noch von dem Fall damals erinnern. Er war ein richtig harter Bursche. Ihn wird niemand vermissen. Aber das war nichts, was für den Hellseher von Interesse wäre. Noch nicht. Sollte es jemand schaffen, irgendein Gebäude in die Luft zu jagen und viele Menschen zu töten – das würde Jones sehr interessieren.
Jonas Jones.
Er kann diesen arroganten Mistkerl nur schwer ertragen. In der Vergangenheit hat Jones mehrere Fälle vor die Wand gefahren, Ermittlungen behindert, Informationen an die Öffentlichkeit weitergegeben, ist in Polizeifallen geplatzt und war dafür verantwortlich, dass Menschen zu Schaden kamen. Es gibt zwar keine echten Hellseher, aber aus irgendeinem Grund hat Jones eine treue Fangemeinde, die mit jedem Tag größer zu werden scheint. Und sollte Jones Detective Calhouns Leiche finden, wird ihm die Schar seiner Fans noch treuer ergeben sein und noch weiter anwachsen, und Jones wird garantiert ein weiteres Schwachsinnsbuch auf den Markt werfen. Zumindest gäbe so eine Geschichte tollen Stoff fürs Fernsehen ab.
In gewisser Weise hofft er, dass Joe die Klappe hält. Aber über diesem Wunsch steht das Recht von Calhouns Familie, seine Leiche zurückzubekommen. Und in seinem Hinterkopf geistert natürlich auch noch der Gedanke an die Prämie herum. Denn trotz allem braucht er das Geld. Seine Familie braucht es. Er schlägt zwar Profit aus einer schlimmen Sache, aber Zahnärzte schlagen Profit aus Karies, Dachdecker aus Sturmschäden, Autoverschrotter aus Unfällen.
Manchmal glaubt Schroder wirklich, dass er keine andere Wahl hatte, als den Job anzunehmen. Schließlich war er arbeitslos, und er verfügt über eine Reihe außergewöhnlicher beruflicher Fähigkeiten, die zu nichts weiter nutze waren, denn er konnte nicht wieder als Cop arbeiten, und sein Antrag auf eine Detektivlizenz wurde nach einer Woche ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Er war sich sicher, dass die Polizeibehörden dahintersteckten. Irgendjemand hatte ihm einen Knüppel zwischen die Beine geworfen, weil er glaubte, dass das Letzte, was die Stadt brauchte, ein weiterer Privatdetektiv sei. Schroder hätte in einem Imbiss arbeiten können. Autos verkaufen war nicht sein Ding. Er hätte wieder die Schule besuchen können. In den Einzelhandel wollte er nicht. Und als der Fernsehsender ihm das Angebot machte, am Set von Jones’ Sendung und für andere Produktionen als Polizeiberater zu fungieren, hatte er angenommen. Er brauchte nur einen Tag Bedenkzeit. Die Bezahlung war besser als bei der Polizei. Dazu kürzere Arbeitszeiten. Und weniger Ärger. Allerdings weckte der Umgang mit Jones in ihm das Bedürfnis, sich noch öfter zu duschen als sonst. Wäre es nur um die Frage gegangen, ob er für ihn arbeiten wolle oder nicht, dann hätte er sich lieber erschossen. Aber so ist es nicht. Es geht dabei auch um seine Familie und darum, seine Rechungen
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