Opferzeit: Thriller (German Edition)
bezahlen zu können, das Haus zu behalten, vorwärtszukommen und einen neuen Berufsweg einzuschlagen.
Und überhaupt – er hat in seinem Job nur wenig mit Jones zu tun, und jetzt gerade gar nicht.
Einer der Produzenten der Sendung The Cleaner kommt zu ihm und fordert ihn auf, seine Mahlzeit zu beenden, in fünfzehn Minuten sei Drehbeginn. Die Sendung handelt von zwei Tatortreinigern, die sich mit den emotionalen Auswirkungen einer steigenden Kriminalitätsrate herumschlagen, und die Hauptfigur, die kurz vor dem Nervenzusammenbruch steht, denkt darüber nach, wie sie selbst einen Mord begehen und ungeschoren davonkommen kann, da sie ja in der Lage ist, einen Tatort »verschwinden« zu lassen. Sie drehen gerade die sechste Folge, die erste wird in zwei Wochen ausgestrahlt. Überall in der Stadt hängen bereits Plakate, es laufen Fernsehspots und Zeitungsartikel erscheinen, um die Sendung zu bewerben. Wenn die Besprechungen positiv sind, wird weitergedreht. Aber das ist Schroder egal. Diese Sendung oder die nächste Sendung oder eine andere Sendung – seine Bezahlung bleibt dieselbe. Er findet das Konzept von The Cleaner okay – er ist kein großer Fan von Fernsehserien, aber sein Job ist es, die Schauplätze so herzurichten, dass sie authentisch wirken. Das Diner, in dem sie heute drehen, ist ein echtes Diner, es hat für den Nachmittag geschlossen, und der Besitzer, der dafür eine Entschädigung erhält, hat Schroder angeboten, ihm auf die Schnelle ein Mittagessen zuzubereiten. Schroder ist niemand, der andere Menschen gerne umarmt, aber diesen Burschen hätte er definitiv an seine Brust drücken können.
Er isst auf und stellt seinen Teller hinter den Tresen. In dieser Folge sind zwei Männer nachts hier eingebrochen und haben den Besitzer gefoltert, um an Informationen zu kommen; sie haben mit einem Hammer auf seinen Glied maßen herumgeprügelt, Blut und Knochen sind so heftig umhergespritzt, dass eine Menge körperliche Arbeit und Chemikalien sowie ein paar witzige Sprüche nötig sind, und beim Schnitt wird die Szene bestimmt noch mit atmosphärischer Musik unterlegt.
Die Schauspieler gehen auf Position.
»Alles okay so?«, fragt ihn einer der Drehbuchautoren, er trägt ein T-Shirt mit dem Schriftzug Climb on board Uncle Daddy’s love bus , und Schroder fragt sich, ob der Drehbuchautor das auch geschrieben hat. Er hofft nicht – denn dann sieht es für die Serie finster aus.
Schroder wirft einen letzten Blick auf das Motiv. »Im Großen und Ganzen ist es okay.«
»Im Großen und Ganzen?«
»Der Kreideumriss«, sagt er, und das nicht zum ersten Mal.
»Ich weiß«, sagt der Drehbuchautor.
»Ich weiß, dass Sie das wissen«, sagt er. »Aber Cops benutzen so was nicht.«
»Fernseh- und Filmleute aber schon, und die Zuschauer erwarten das«, sagt der Drehbuchautor, auch nicht zum ers ten Mal. »Die Leute mögen es nicht, wenn sie etwas se hen, was nicht ihren Erwartungen entspricht. Das verwirrt sie nur.«
»Sie haben zu wenig Vertrauen in die Menschen.«
»Ach ja? Sie waren, wie lange, fünfzehn Jahre bei der Polizei? Zwanzig? Glauben sie wirklich, dass die Menschen so viel Vertrauen verdient haben?«
Schroder lächelt. In dem Punkt hat er recht. »Sie können loslegen«, sagt er.
Schroder stellt sich an den Rand und verfolgt das Geschehen. Hoffentlich sieht es im Fernsehen besser aus, denn momentan wirkt es wie ein schlecht gespieltes Theaterstück. Dreißig Minuten später vibriert sein Handy. Er zieht es aus der Tasche und schaut nach der Nummer des Anrufers. Es ist Hutton. Da gerade nicht gedreht wird, muss er auf den Ton keine Rücksicht nehmen und tritt nach draußen.
»Es ist was passiert«, sagt Hutton.
»So?«
»Vielleicht gibt es einen Zusammenhang, vielleicht auch nicht. Aber vor fünfzehn Minuten hat man die Leiche von Tristan Walker gefunden. Man hat ihm in seinem Haus zweimal in die Brust geschossen.«
Tistan Walker. Ehemann von Daniela Walker. Daniela Walker, Opfer von Joe Middleton. Ihm wurde wie Derek Rivers zweimal in die Brust geschossen. »Scheiße«, sagt Schroder.
»Ja, das bringt es auf den Punkt.«
»Und was habt ihr für eine Theorie?«, fragt Schroder und legt sich bereits selbst eine zurecht.
Er kann förmlich hören, wie Hutton mit den Schultern zuckt. »Wir haben keine«, sagt er. »Ich meine, heute Morgen dachten wir, es ginge um ein mögliches Bombenattentat, aber jetzt haben wir es mit dem Ehemann von einem der Opfer des Schlächters zu tun. Des Opfers, bei
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