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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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nimmt seine Hand ans Kinn, legt seinen Zeigefinger an die Lippen und tippt bedächtig dagegen. Er kann nur noch an die Frau in dem Wagen denken. »Auffällig? Inwiefern?«
    »Jemand, der nicht hierhergehörte«, sagt Schroder.
    Er schüttelt den Kopf und behält den Finger an der Lippe. »Nein, niemand«, sagt er. »Ich meine, es waren schon neue Leute da, wie so oft, und es werden immer wieder neue Leute herkommen, solange Menschen ermordet werden. Aber da war niemand, der sich auffällig benommen hat. Niemand, der nicht hierhergehörte.«
    »Sind Sie sicher?«, fragt Schroder.
    »Jedenfalls ist niemand blutüberströmt mit einem Messer in der Hand hier aufgetaucht«, sagt er. »Die meisten Leute, die zum ersten Mal herkommen, sagen nichts. Es ist fast wie bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker. Sie sind nervös. Sie haben keine Ahnung, was sie erwartet. Sie wollen hören, wie andere Menschen von ihrem Schmerz berichten, bevor sie über ihren eigenen reden. Sie brauchen ein paar Wochen, um sich zu öffnen. Wir leisten hier gute Arbeit. Wir helfen den Menschen.«
    »Was ist mit Frauen?«, fragt Kent. »Waren heute Abend irgendwelche Frauen da, die aufgefallen sind?«
    »Frauen?«, fragt er, und er muss sich dazu zwingen, nicht zum Wagen zu schauen. »Warum? Wurde Tristan Walker von einer Frau ermordert?«
    »Das hat niemand behauptet«, sagt Kent, »aber es gibt eine Frau, die wir gerne befragen würden. Sie hat blondes Haar.«
    Blondes Haar. Die Frau im Wagen hat schwarzes Haar. Außerdem will die Frau im Wagen Joe töten. Warum sollte eine Frau, die Joe töten will, auch Tristan Walker töten wollen? Er geht die anderen Teilnehmer durch. Darunter waren mehrere blonde Frauen, wie immer, aber es gibt … wie viele? Fünfzigtausend blonde Frauen in dieser Stadt?
    »Wissen Sie, wie sie heißt? Oder wie sie sonst aussieht?«
    »Nur dass sie blond ist«, sagt Kent und schaut zunächst zu Schroder. »Eine Frau mit einer blonden Perücke.«
    »Das ist nicht viel«, sagt Raphael. »Unter den Teilnehmern heute Abend waren wie immer ein paar neue Gesichter, aber man muss sich nicht in eine Liste eintragen. Heute Abend waren auch blonde Frauen da, aber mir ist niemand aufgefallen.«
    »Können Sie uns eine Liste von den Teilnehmern geben, deren Namen Sie kennen?«, fragt Kent.
    »Das wird etwa fünf Minuten dauern«, sagt er.
    »Wir können warten.«
    Raphael nickt einmal, dann geht er zurück ins Gebäude. Die letzten Teilnehmer brechen auf. Sie verabschieden sich und lächeln traurig. Raphael erstellt die Liste, ohne Stella daraufzusetzen, denn er will die Aufmerksamkeit nicht auf eine Frau lenken, die keinen Grund hat, Walker etwas anzutun und die womöglich in der Lage ist, ihm so viel Glück zu schenken.
    Kapitel 20
    Ich habe schon wieder Hunger, obwohl ich erst vor einer Stunde zu Mittag gegessen habe. Damit einem an einem Ort wie diesem möglichst schnell der Appetit vergeht, denkt man einfach an den Fraß, den man hier vorgesetzt bekommt. Das tue ich jetzt, und der Hunger lässt ein wenig nach; dann mache ich den Fehler, an ein zartes Steak mit Pommes Frites und Grillsoße zu denken. Je mehr ich versuche, den Gedanken daran zu vertreiben, desto intensiver spüre ich den Geschmack. Es ist eine Art Henkersmahlzeit, und vielleicht werde ich sie mir wünschen, falls ich irgendwann eine Verabredung mit dem Strick haben sollte.
    Um zu verhindern, dass das passiert, muss ich Melissas Botschaft finden. Ich blättere erneut die Bücher durch, obwohl ich weiß, ja, überzeugt bin, dass da nichts ist, und überall, wo ich nachschaue, finde ich genau das. In Kürze werden die Lichter ausgeschaltet. Unsere Zellentüren wurden bereits verschlossen, ich bin also allein mit meiner Pritsche, meinem Klo und einem Haufen Bücher, die mir nicht sagen, was ich hören will. In den Zellen nebenan kann ich meine Nachbarn hören. Sie reden mit sich selbst. Oder mit ihren Fantasievorstellungen.
    Sechs Bücher.
    Eine Botschaft.
    Oder vielleicht auch keine.
    Frustriert schmeiße ich sie in die Ecke meiner Zelle und versuche, sie wie in einem Spiel möglichst dicht nebeneinanderzuwerfen. Das andere Spiel, das Spiel, das Melissa spielt, verstehe ich nicht.
    Ich hebe die Bücher wieder auf. Und werfe sie erneut. So viel Spaß hatte ich noch nie in meiner Zelle. So schlage ich zehn Minuten tot, und ich frage mich, ob es so leicht sein wird, die nächsten dreißig Jahre totzuschlagen, oder ob statt dessen ich totgeschlagen werde. Die sechs Bücher

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