Ophran 3 Die entflohene Braut
fragend an.
„Du meine Güte, Sie sind es, nicht wahr? “ Lizzie beugte sich zu ihr, um sie genauer in Augenschein zu nehmen, und hüllte Amelia dabei in eine Schnapsfahne. „Ich habe Ihr Porträt in den Geschäften gesehen, und die Gesellschaftsseiten der Zeitungen waren natürlich voll mit Nachrichten über Ihre bevorstehende Hochzeit mit diesem fetten alten Whitcliffe. “ „Na, na, so ein Gerede wollen wir hier nicht hören“, unterbrach Oliver aus Sorge, Amelia könne an der wenig schmeichelhaften Beschreibung ihres Verlobten Anstoß nehmen. „Der alte Whitcliffe ist nicht fett, er ist nur ein wenig bullig. Alle Herzöge sind so“, fügte er mit ungewohnter Milde hinzu. „Das kommt davon, wenn man von der Wiege bis zum Grab gut gefüttert wird. “
„Ich bin sicher, dass Sie es sind“, beharrte Lizzie, als müsse Amelia von ihrer eigenen Identität überzeugt werden. „Ihr Bild hing in allen Läden. “
Wie die meisten Erbinnen, die auf der Suche nach einem englischen Lord nach London reisten, hatte Amelias Mutter sie von einem der bekanntesten Fotografen der Stadt ablichten lassen. Ihr Porträt war auf den Gesellschaftsseiten der „Morning Post“ erschienen und in zahlreichen Geschäften zum Verkauf ausgestellt gewesen.
„Allmächtiger, sie ist es... nicht wahr? “ Beatons Augen quollen nahezu aus seinem glänzenden runden Kopf.
„Ja“, antwortete Jack. Lizzie und Beaton standen seit mehr als zehn Jahren im Dienst seiner Eltern, und obwohl sie sich von Zeit zu Zeit gern ein Gläschen genehmigten, wusste Jack, dass man sich in wichtigen Angelegenheiten voll und ganz auf sie verlassen konnte. „Sie ist es. “
„Du meine Güte, Sie sind ja noch hübscher als auf den Fotos! “ schwärmte Lizzie, während sie Amelia hingerissen betrachtete. „Auch wenn Ihr Haar zerzaust ist und Ihr Kleid aussieht, als seien Sie in den Kohlenkasten gefallen. “
„Aber Sie sollten doch heute Lord Whitcliffe heiraten“,? sagte Beaton. „Es stand seit Wochen in der Zeitung, mit Bildern von Ihnen und Seiner Hoheit, und den Geschenken, den Blumen, den Menüplänen... “
„Es heißt, Ihre Strumpfhalter hätten mit Diamanten besetzte goldene Schnallen“, unterbrach Lizzie aufgeregt. „Ist das wahr? “
„Nein. “ Amelia war entsetzt darüber, dass die Londoner Zeitungen nicht einmal davor zurückgeschreckt waren, falsche Beschreibungen ihrer Unterwäsche zu verbreiten. Glaubten die Leute tatsächlich, dass sie so töricht frivol sein würde, diamantbesetzte Dessous zu tragen?
„Oh, schauen Sie nur, was mit Ihrem wunderschönen Kleid passiert ist! “ jammerte Lizzie. „Und mit Ihren Händen, Sie armes Kind! “ Sie nahm Amelias arg zerkratzte Hände in die ihren und schnalzte mitfühlend mit der Zunge. „Hatten Sie einen Unfall? “
„Ich bin gefallen“, erwiderte Amelia. „In einen Strauch. “ „Miss Belford hat es sich im letzten Augenblick anders überlegt“, erklärte Jack.
„Aber Ihr Verlobter war ein verflixter Herzog! “ platzte Lizzie heraus. „Whitcliffe lebt in einer der prächtigsten Burgen von ganz England! “
„Ja, und das Mädchen hat entschieden, dass es ihn nicht will“, führte Oliver zu Amelias Verteidigung an.
„Sie hat doch sicher gewusst, dass er bullig ist, bevor sie eingewilligt hat, ihn zu heiraten“, wandte Beaton ein, in Gedanken noch immer mit Whitcliffes Statur beschäftigt.
„Ich habe von Fällen bei den Reichen gehört, wo die Braut den Bräutigam nicht sehen durfte, bis sie nebeneinander vor dem Altar standen“, sagte Lizzie, „weil man befürchtete, sie könne ihre Meinung ändern und die ganze Hochzeit platzen lassen. “
„Wenn ich den alten Whitcliffe hätte heiraten sollen, wüsste ich schon, in welche Richtung ich ausgebüxt wäre. “ Oliver kicherte und vergaß, dass er Amelias Verlobten noch einen Augenblick zuvor in Schutz genommen hatte.
„Miss Belford ist sehr müde, Lizzie. “ Jack fand, Amelia habe für heute genug Fragen beantworten müssen. „Glauben Sie, Beaton und Sie könnten ihr ein Bad bereiten und etwas zum Anziehen für sie besorgen? Im Schrank meiner Mutter findet sich gewiss etwas Passendes. Sorgen Sie dafür, dass sie alles bekommt, was sie an Kleidung benötigt. Sie wird heute Nacht im blauen Gästezimmer schlafen. “
„Natürlich sind Sie müde, Sie armes, verlorenes Lämmchen. “ Lizzie schnalzte abermals mitfühlend. „Folgen Sie mir, Kindchen, und ich werde es Ihnen so behaglich machen wie einem
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