Ophran 3 Die entflohene Braut

Beardsley versuchte, ihn zum Verweilen zu bewegen. „Auf der Speisekarte steht gespicktes Perlhuhn, habe ich gehört. “
    „Mein Aufenthalt in London ist leider zu kurz, um bleiben zu können“, erwiderte Jack. „Ich muss mich noch um einige geschäftliche Angelegenheiten kümmern, bevor ich nach Inverness aufbreche. Vielleicht ein anderes Mal. “
    Ihm war, als spüre er einen Anflug von Neid in ihren Blicken, als wünschten sie, auch sie hätten einen Ort, wo man wichtige Entscheidungen von ihnen erwartete. Doch schon im nächsten Augenblick war ihr Gesichtsausdruck wieder leer und resigniert. Sie sanken in ihre weich gepolsterten Sessel zurück und wiesen den Lakaien an, ihnen eine weitere Runde einzuschenken, bevor sie sich noch ein wenig betrunkener dazu aufraffen mussten, ihr Sechs-Gänge-Menü einzunehmen.
    „Nach Hause, Oliver! “ Jack knallte den Wagenschlag seiner Kutsche zu.
    Oliver sah ihn vom Kutschbock herab neugierig an. „Haben Sie ihn gefunden? “
    „Er war nicht da. “
    „Haben Sie seine Anschrift? “
    „Nein. “
    Der alte Mann verschränkte die Arme vor seiner knochigen Brust und wartete.
    „Wollen Sie mir jetzt vielleicht sagen, was Ihnen dermaßen die Laune verdorben hat, oder sollen wir noch ein Weilchen länger hier herumstehen und die Sehenswürdigkeiten genießen? “ fragte er schließlich.
    „Meine Laune ist nicht verdorben. “ In Wahrheit war Jack gefährlich nahe daran, etwas in Stücke zu schlagen. „Lord Philmore war nicht da, wird jedoch zum Mittagessen kurz vorbeischauen. “ Seine Stimme klang schneidend scharf. „Ich habe genug über ihn erfahren, um zu erkennen, dass er kein geeigneter Ehemann für Miss Belford ist, und das werde ich ihr auch mitteilen. “
    Oliver zog spöttisch die Braue hoch. „Ach ja? Und was hat Sie zu diesem Schluss kommen lassen? “
    „Lord Philmore hat sich eine andere Erbin gesucht. “ „Und? “
    „Und daher kann Miss Belford schlecht von ihm erwarten, sie zu heiraten, wenn heute in allen Zeitungen stand, dass er eine andere zu ehelichen gedenkt. “
    „Mir scheint, diese Entscheidung müssen Sie schon den beiden überlassen, mein Junge“, bemerkte Oliver. „Das Mädchen hat Sie nicht um Ihre Meinung gebeten. Alles, was sie von Ihnen wollte, war, dass Sie ihren geliebten Viscount fin- den und sie zu ihm bringen, mehr nicht. Und Sie waren einverstanden. “
    „Das war vorher. “
    „Wovor? “
    Jack zögerte. „Bevor ich entdeckt habe, dass ihr geliebter Viscount offenbar weder Vermögen noch Ehre besitzt. “ Er beschloss, Oliver die schäbigen Einzelheiten über Philmores Charakter zu ersparen.
    Oliver lachte stillvergnügt in sich hinein. „Sie waren zu lange auf See, Junge. Es findet sich mehr Ehre unter Dieben als unter diesen reichen Snobs, und das ist die traurige Wahrheit. “
    „Haydon ist ehrenhaft. “
    „Ja, das ist er. Aber Seine Lordschaft ist nicht wie die anderen. Das war stets klar zu erkennen, finde ich. “
    „Mir gefällt nicht, dass Philmore sich schleunigst eine andere Erbin an Land gezogen hat, als er erkannte, dass Miss Belford nicht mehr zu haben war. Wenn ihm tatsächlich etwas an ihr gelegen hätte, wäre er zumindest so anständig gewesen, eine Weile zu warten, bevor er sich an die nächste reiche Frau heranpirscht. “
    Oliver zog belustigt eine seiner weißen Brauen hoch. „Dann ist es also nur seine Terminierung, die Ihnen sauer aufstößt, sonst nichts? “
    Jack starrte schweigend aus dem Wagenfenster.
    „Denken Sie mal einen Augenblick nach, Junge“, drängte Oliver. „Wenn Sie jetzt zu Miss Amelia zurückkehren und ihr mitteilen, Sie hätten ihren Verlobten nicht getroffen, weil Sie herausgefunden hätten, dass er sich eine andere Braut gesucht hat... wie wird sie wohl reagieren? Glauben Sie, sie wird Ihnen dafür danken, dass Sie entschieden haben, es sei besser für sie, ihn nicht zu sehen? “
    „Ja. “
    Oliver schnaubte erbost. „Da täuschen Sie sich gewaltig! Sie wird Ihnen vielmehr sagen, Sie hätten Unrecht, und verlangen, dass Sie sie auf der Stelle zu ihm bringen. Wenn Sie sich weigern, wird sie sich selbst auf die Suche nach ihm machen. Und was meinen Sie wohl, wie er reagiert, wenn das Mädchen ohne Vorwarnung bei ihm vor der Tür steht... und  womöglich seine zukünftige Braut gerade zu Besuch ist? “ Das wäre verheerend, erkannte Jack. Nicht nur, weil Philmore unfreundlich reagieren könnte, sondern vor allem, weil noch andere anwesend wären - Dienstboten oder